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Philippas verkehrte Welt

Philippas verkehrte Welt

Titel: Philippas verkehrte Welt
Autoren: Patricia Schroeder
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Wetter scheint sich nicht darum zu scheren«, erwiderte ich und zwängte mich an ihr vorbei in die Küche, wo Limette vor ihrer halb leer gefressenen Schale saß und mich ansah, als würde sie auf der Stelle tot umfallen, wenn sie nicht sofort etwas Frisches aus der Dose dazubekam.
    Da Mama gerade nicht in der Nähe war, tat ich ihr den Gefallen.
    Â»Möchtest du vielleicht auch noch die Blumen gießen?«, stöhnte Mariel.
    Â»Nö.« Ich schüttelte den Kopf. »Wieso?«
    Mariel stöhnte noch einmal. »Ach, nur so.«
    Ich fand, dass sie in letzter Zeit ein bisschen sehr viel stöhnte, sparte mir allerdings, das anzumerken, und deutete stattdessen auf die pinkfarbene Kuckucksuhr, die neben dem alten Bauernschrank an der Wand hing. »Wir haben noch Zeit ohne Ende, falls du das meinst.«
    Â»Haben wir nicht«, erwiderte sie. »Arletta, Tiffy und Neomi warten auf mich.«
    Für ein paar Sekunden erlitt ich einen Atemstillstand, gab mir jedoch redlich Mühe, mir nichts davon anmerken zu lassen, sondern spazierte an meiner Freundin vorbei in den Flur und nahm meinen Steppmantel vom Haken.
    Â»Das ist jetzt nicht dein Ernst«, sagte Mariel.
    Â»Was meinst du?«
    Â»Den Mantel.«
    Â»Verdammt noch mal, auf den Feldern liegt immer noch Schnee!«, fauchte ich sie an. Ich wollte das gar nicht, es passierte einfach.
    Â»Wir haben keine Felder in der Stadt«, gab Mariel frostig zurück. »Also entscheide dich: Mütze und Mantel … oder ich geh allein.«
    Fassungslos starrte ich sie an. Ich begriff einfach nicht, wie sie so etwas sagen konnte. Vor allem aber kapierte ich nicht, warum sie es tat. Ich meine, kein Mensch stellt einen vor eine solche Entscheidung. Soll ich vielleicht nackt gehen?, lag es mir auf der Zunge zu fragen. Aber irgendwie brachte ich keinen Ton heraus, sondern stand wie einbetoniert da, die Ringelmütze auf dem Kopf und den Steppmantel in der Hand, und allmählich dämmerte mir, dass das Ganze irgendwie mit unserem letzten Gespräch über Neomis Party und meine Klamotten, für die ich mich angeblich schämte, zu tun haben musste.
    Â»Okay, ich geh dann mal«, sagte Mariel, und ehe ich mich wieder gefangen hatte, war sie auch schon verschwunden.
    Â»Die hat doch ’n Sockenschuss«, vernahm ich die Stimme meines Bruders hinter mir.
    Ich wirbelte herum.
    Krister und Josefine lehnten nebeneinander im Türrahmen.
    Â»Mariel ist doof«, brachte meine kleine Schwester die Sache auf den Punkt.
    Â»Scheiße«, sagte ich. »Habt ihr etwa die ganze Zeit gelauscht?«
    Josefine zuckte mit den Schultern. »Nicht die ganze.«
    Â»Und Scheiße sagt man nicht«, klärte Krister mich auf.
    Â»Wieso? Du sagst es doch auch«, erwiderte ich, dann fing ich an zu heulen.
    Josefine musterte mich forschend. »Mariel ist echt total doof«, bekräftigte sie schließlich und machte ein mitleidiges Gesicht.
    Â»Also wegen der würde ich nicht heulen«, riet Krister mir.
    Â»Danke«, schluchzte ich. »Ihr seid wirklich süß.«
    Â»Wir sind ja auch deine Geschwister«, murmelte Josefine. »Aber jetzt müssen wir raus«, fügte sie etwas lauter hinzu. »Hinter der Kastanie warten Lotugo, Blizzi und Flominga auf uns. Limette kann dich ja so lange trösten.«

    Den Ratschlag meiner Schwester beherzigte ich, den meines Bruders nicht. Eine geschlagene Stunde hockte ich – die leicht genervte Limette fest umklammert – auf meinem Bett und flennte mir die Seele aus dem Leib.
    Ich hasste Mariel. Ich hasste Badminton. Ich hasste Arletta, Tiffany und Neomi. Ja, und am Ende hasste ich sogar meine selbst gestrickte Ringelmütze. Am liebsten hätte ich sie zusammen mit meinen ausgeleierten Pullis und dem perlenbestickten T-Shirt aus dem Fenster geworfen. Doch dann stieg plötzlich eine ungeheure Wut in mir hoch. So weit kam es noch, dass ich wegen Mariels komischer Einstellung auf meine geliebten Sachen verzichtete!
    Mit der Wut versiegten schließlich die Tränen und der in unserer Familie vorherrschende Pragmatismus gewann wieder die Oberhand. Ich entschuldigte mich bei Limette dafür, dass ich sie so nass geheult hatte, und rubbelte sie mit einem Handtuch trocken.
    Danach beschloss ich, ein neues Leben anzufangen. Ein Leben ohne Badminton und ohne Mariel. Es würde ein freudloses und unsagbar ödes Leben sein, und ich konnte nur hoffen, dass Mariel
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