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Phantom

Phantom

Titel: Phantom
Autoren: Patricia Cornwell
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Aussteigen fügte er hinzu: »Er fährt einen dunkelblauen Chevy-Kombi, einen alten, der hinten keine Fenster hat.«
    Wir fuhren hintereinander zum Hauptquartier, und ich stellte meinen Wagen auf Marinos Parkplatz. Kurz darauf rasten wir über die Broad Street in Richtung Franklin.
    »Hoffentlich hat der Hausmeister ihn nicht gewarnt!« Wir hielten vor einem achtstöckigen Ziegelgebäude. »Seine Wohnung liegt nach hinten raus, also kann er uns von ihr aus nicht kommen sehen.« Er griff unter den Sitz und zog seine Neunmillimeter heraus – als Ergänzung zu dem Dreisiebenundfünfziger im Schulterhalfter. Er steckte die Pistole hinten in den Gürtel und ein Ersatzmagazin in die Jackentasche, dann machte er die Wagentür auf.
    »Wenn Sie einen Krieg erwarten, bleibe ich lieber hier«, sagte ich.
    »Wenn es Krieg gibt, leihe ich Ihnen meinen Dreisiebenundfünfziger, und dann zeigen Sie, was Sie können. Bleiben Sie auf alle Fälle hinter mir!«
    Als wir die Stufen zum Hauseingang hinaufgestiegen waren, klingelte Marino. Ein älterer Mann mit buschigen grauen Augenbrauen machte auf und stellte sich als der Hausmeister vor.
    »Wissen Sie, ob er zu Hause ist?« fragte Marino.
    »Keine Ahnung.«
    »Wir werden nachsehen.«
    »Wie ich schon sagte, die Wohnung liegt nach hinten raus.« Der Hausmeister deutete nach Osten. »Gehen Sie den Korridor runter und nehmen Sie den ersten Quergang nach links. Es ist die Eckwohnung. Nummer siebzehn.«
    Das Gebäude strahlte eine verblaßte Vornehmheit aus – wie ein altes Hotel, in dem niemand mehr gerne wohnt, weil die Tapeten vergilbt und die Möbel abgenutzt sind. Ich bemerkte Brandlöcher in dem dunkelroten Teppichbelag. Die Wandtäfelung war fast schwarz gebeizt. An der Tür zu Hilton Sullivans Wohnung klebte eine kleine Siebzehn aus Messing. Es gab keinen Spion. Als Marino klopfte, hörten wir Schritte herankommen.
    »Wer ist da?« fragte ein helle Stimme.
    »Kundendienst«, antwortete Marino. »Ich muß die Filter in Ihren Heizkörpern auswechseln.«
    Die Tür ging auf, und als ich die leuchtendblauen Augen sah, schnappte ich unwillkürlich nach Luft. Hilton Sullivan wollte die Tür zuschlagen, doch Marino hatte den Fuß dazwischen.
    »In Deckung!« brüllte er mich an, als er seinen Revolver herausriß und sich so weit wie möglich zurücklehnte.
    Ich drückte mich an die Wand. Marino trat die Tür auf und stürmte in die Wohnung. Voller Angst wartete ich auf die Geräusche eines Gerangels oder auf Schüsse. Die Zeit tröpfelte dahin. Dann hörte ich, wie Marino etwas in sein Funkgerät sprach. Als er wieder auftauchte, war sein Gesicht dunkelrot vor Zorn.
    »Er ist mir entwischt: War aus dem Fenster wie der Blitz. Verdammter Mistkerl! Sein Kombi steht noch draußen auf dem Parkplatz, er ist also zu Fuß unterwegs. Ich habe die Streifenwagen in der Umgebung alarmieren lassen.« Er atmete schwer.
    »Ich hielt ihn für eine Frau«, sagte ich leise. Marino starrte mich an. »Was?«
    »Als ich Helen Grimes aufsuchte, war er bei ihr. Während wir uns vor der Tür unterhielten, schaute er einmal kurz über ihre Schulter heraus. Ich hielt ihn für eine Frau.«
    »Sullivan war bei Helen Grimes?«
    »Da bin ich ganz sicher.«
    »Verdammt! Wie paßt denn das zusammen?«
    Als wir uns in der Wohnung genauer umsahen, erkannten wir den Zusammenhang. Die Räume waren elegant eingerichtet – mit antiken Möbeln und kostbaren Teppichen, die jedoch nicht Sullivan gehörten: Laut Aussage des Hausmeisters hatte er die Wohnung möbliert gemietet. Jazzmusik klang aus dem Schlafzimmer herüber, wo wir auf dem Bett Sullivans blaue Daunenweste neben einer ordentlich zusammengelegten ausgebleichten Jeans fanden, auf der ein akkurat gefaltetes beiges Kordsamthemd lag. Davor standen Joggingschuhe, in denen Socken steckten. Auf der Mahagonikommode lagen eine grüne Schirmmütze, eine Sonnenbrille und ein blaues Uniformhemd, an dessen Brusttasche Helen Grimes’ Namensschildchen befestigt war. Unter dem Hemd befand sich ein großer Umschlag mit Fotos, die Marino durchsah, während ich mich weiter umschaute.
    »Grundgütiger!« stieß er alle paar Sekunden hervor. Auf mehr als einem Dutzend Fotos waren Sullivan nackt und gefesselt und Helen Grimes als seine sadistische Wärterin abgelichtet. Häufigstes Motiv war Sullivan auf einem Stuhl sitzend, während sie die Rolle der Verhörenden spielte, wobei sie ihm von hinten den Arm um den Hals legte oder ihn züchtigte. Er war ein ausgesprochen gutaussehender,
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