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Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)

Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)

Titel: Phantastische Weihnachten: 24 Geschichten zum Weihnachtsfest (German Edition)
Autoren: Verschiedene Autoren
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Morgenländers tat sein Übriges.
    Caesarea Maritima war nicht so weit weg, wenn man ein Pferd besaß, und Gabriel hatte eins.
    Dass sie am Rande dieses Kackdorfes lebte, nun machte es sich bezahlt. Nie bemerkte ihn jemand, wenn er nachts auf leisen Hufen auf ihren Hof ritt. Und nie bemerkte ihn jemand, wenn er noch vor Sonnenaufgang wieder über die Berge in Richtung Meer verschwand. Schließlich musste er bereits um sechs Uhr in der Früh die Morgenparade seiner Legionäre abnehmen.
    Und Sepp der Depp, der war wie jeden Feierabend in der Taverne, zwei Fußstunden entfernt nur, ins Rotwein-Koma gefallen. Orientale Schönheiten tanzten Abend für Abend bauchfrei um den Tresen herum, und er steckte ihnen einen Schekel nach dem anderen in den fast unbekleideten Ausschnitt. Wozu er seine Frau hatte, das war ihm selbst nicht ganz klar. Man heiratete eben, weil das immer schon so war. Er hatte noch Glück gehabt, meinte er mit seinen betagten Jahren. Es war ein guter Handel gewesen – eine minderjährige Jungfrau für sieben Schafe und einen richtfestfertigen Dachstuhl in Bethlehem. Und noch immer reichte die Mitgift, sich in Sepphoris die Potenz weg zu saufen. Er war ein Bauarbeiter, ein richtiger Prolet – schon ein wenig in die Jahre gekommen. Und er machte das, was alle Bauarbeiter machten: ein Stein, ein Kalk, ein Wein. Was scherte ihn die Alte zuhause?
    Sie hatte das Meer nie gesehen. Aber Gabriel brachte ihr Schriftrollen mit.
    „In vier Wochen muss ich die wieder abgeben“, meinte er zumeist lapidar. „Sonst gibt´s Leihgebühr.“ Meist war hinten irgendein Stempel drauf: Bibliothek des Römischen Reiches Caesarea Maritima. Und manchmal, wenn er sich drei Wochen nicht blicken ließ, brachte er anschließend Papyri aus Alexandria. Die Bibliothek dort sollte irre sein, hatte er ihr erzählt – mehr als man in einem Menschenleben lesen könne. Und der Leuchtturm mitten im Meer …
    So gerne würde sie ihn einmal sehen, diesen Pharos mitten im Meer, hundertmal höher als ein beschissenes Olivenbäumchen. Aber sie steckte fest. Sie steckte fest in diesem Kack-Nazareth mitten in der Wüste. Was hatte sie davon, wenn ihr ein Gabriel das Lesen beibrachte, im Schein einer Ziegenkackeflamme – Griechisch, Hebräisch und Latein? Gar nichts! Ihr Typ würde am Wochenende nach Hause kommen … vielleicht. Und worüber sollten sie miteinander reden? Über Aristoteles? Über Platons Staat? Über die Dialektik eines Sokrates? Er war ein Bauarbeiter, und nach Feierabend soff er trockenen Ezion. Für mehr als die Lustbarkeit des Saufens war er wohl schon zu alt. Sie jedenfalls hatte ihn nie gespürt.
    „Shit“, dachte sie halblaut „Shit!“ Dann nahm sie noch einen kräftigen Zug. Sie würde sich etwas einfallen lassen müssen. Gabriel hatte sich schon lange nicht mehr blicken lassen. „Scheiße, Scheiße, Scheiße …“ Weibsbilder wie sie steinigte man gemeinhin zu Tode. Aber Gott, Jahwe verdammt, sie war doch gerade erst 18 oder 19. Sie wollte doch einfach nur Spaß.
    Seit vier Wochen blieben ihre Tage aus, und manchmal musste sie kotzen – einfach so. Und sie hatte Appetit auf kandierte Schnecken mit Essig. Sogar Schweineschinken mit Joghurtsoße wäre jetzt irgendwie geil. Irgendwas würde ihr einfallen. Morgen war Sabbat, und Joseph, Sepp, er würde nach Hause kommen, vielleicht. In ein paar Wochen müssten sie zur Volkszählung nach Bethlehem. War sie jetzt nur Eine, oder war sie schon Zwei?
    „Shit!“ Ja, sie würde es ihm morgen verkünden – aber was und wie? Maria blies hustend den Rauch aus. Dann schmunzelte sie verschmitzt. An der Tür pochte der Dealer aus dem Morgenland. Lächelnd stand sie auf und öffnete.
    „Eyh, Schwarzer Afghane, Roter Afghane?“ Er schaute ihr in die rot geäderten Augen. „Habbisch auch Marok da … Scheiße, siehst nisch glücklisch aus.“
    Maria ging zum Herd, goss dem Gast einen Becher Tee ein und bröselte etwas von dem Roten in das Heißgetränk. Morgen würde sie es dem Sepp verkünden. Jungfrau Maria? Pfffh!!! Leise und doch ein wenig zweifelnd kicherte sie in sich hinein. Würde er ihr glauben, nachdem seine Bauarbeiterkollegen ihn frühschoppentrunken in der heimischen Kate abgeliefert hatten?
    „Schalom“, wisperte sie schmunzelnd ob ihrer genialen Idee, und reichte dem Morgenländer den Tee. Ihre Geschichte würde Geschichte machen. Sie wusste das in diesem Moment natürlich nicht. Aber noch in zweitausend Jahren würde man von ihr reden.
    „Eyh, alles klar
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