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Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall

Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall

Titel: Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
Autoren: Friederike Schmöe
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könnte jetzt vor der Rauheneck stehen und Pfeile auf eine Strohscheibe schießen. Verfluchter Mist.
    Die Chefin persönlich riss sie aus ihren Gedanken.
    »Frau Palfy? Heute nicht unterwegs?«
    »Ich bin auf der Suche nach Hagen…dummerweise habe ich mir seinen Nachnamen nicht gemerkt. Sie wissen schon, das einzige Ehepaar aus unserem Kurs.«
    Die Chefin lächelte.
    »Stephanus heißen die beiden.«
    »Also, Herrn Stephanus.« Katinka zwang sich zu Ruhe und Geduld. »Haben Sie ihn heute Morgen zu Gesicht bekommen?«
    »Nein. Möchten Sie Bettina fragen? Unser Frühstücksmädchen sieht eigentlich jeden, der ab sechs Uhr ihr Reich betritt.«
    Katinka folgte der Chefin in die Küche. Bettina saß an einem Tisch in der Ecke, tunkte ein Hörnchen in ein Glas Milch und blickte argwöhnisch drein.
    »Hat etwas gefehlt?«, fragte sie.
    »Wir vermissen einen Mann aus unserem Kurs. Groß. Breitschultrig. Hagen Stephanus.«
    »Herr Stephanus war heute nicht beim Frühstück.«
    »Sicher nicht?«
    »Bestimmt. Ich komme jeden Morgen um halb sechs. Die ersten Gäste frühstückten gegen halb sieben. Ihre Gruppe kam dann so…zwischen halb acht und acht. Sie ja auch.«
    »Aber Hagen war nicht dabei.«
    »Sag ich doch«, wiederholte Bettina. »Herr Stephanus war heute nicht beim Frühstück.«
    »Kann es sein, dass Sie ihn schlicht nicht gesehen haben? Dass er sich nur rasch eine Tasse Kaffee nahm und wieder ging?«
    Bettina vertilgte den Rest ihres matschigen Hörnchens.
    »Ich bin ab und zu in der Küche, wenn ich Geschirr raustrage oder Brötchen aufbacke. Ein paar Minuten vielleicht. Weniger sogar. Er müsste superkurz im Frühstücksraum gewesen sein. Sonst hätte ich ihn gesehen.«
    »Danke.«
    Katinka nickte den beiden Frauen zu und ging hinaus in den Biergarten. Das Laub raschelte unter ihren Füßen, als sie zu der Koppel hinüberging, wo der Esel ihr erwartungsvoll entgegensah. Sie streichelte ihm die samtenen Ohren. Wahrscheinlich kam Hagen gleich um die Ecke getrabt. Katinka hatte am ersten Morgen selbst bemerkt, wie leicht man sich in dem Spinnennetz aus Wanderwegen verirren konnte. Was wusste sie über einen Mann mit einem Import-Export-Geschäft, der eine Woche Urlaub nahm, um mit seiner Frau Bogen zu schießen? Dessen Frau ihre Ehe als Ärgernis bezeichnete? Der zweitausend Euro in großen, neuen Scheinen im Portemonnaie hatte und Belanglosigkeiten in der Jacke? Ansonsten ein bürgerliches Auto fuhr und auf den ersten Blick sympathisch und natürlich wirkte?
    Es war halb zehn, als sie an Paulas Zimmertür klopfte.
    »Es ist offen!«
    Katinka trat ein. Paula frottierte ihr Haar trocken. Sie sah elend aus.
    »Wie es scheint, war Hagen heute nicht beim Frühstück.«
    »Er frühstückt nie, bevor er joggen geht.«
    Klang alles plausibel. Aber die Uhr tickte. Hagen wäre jetzt beinahe anderthalb Stunden unterwegs, gesetzt den Fall, er war erst kurz, bevor Paula aufgewacht war, losgelaufen. Katinka trainierte kaum über sechzig Minuten, weil ihr dann die Puste ausging.
    »Zieh dich an, Paula. Lass uns die Waldwege abgehen. Kann doch sein, dass er sich den Fuß verstaucht hat oder so.« Beim Anblick von Paulas erschrockenen Augen biss sie sich auf die Zunge. »Ist mir auch schon passiert. Kein Grund zur Beunruhigung.«
    Später sollte Katinka ihre Naivität verfluchen. Ich hätte es ahnen können, sollte sie sich viele Male sagen, und es war eine riesige Idiotie, Paula mit auf die Suche nach ihrem Mann zu nehmen. Aber in der Kühle des Waldes und den ersten zaghaften Sonnenstrahlen des Tages kamen ihr keine dunklen Gedanken. Sie schritten flott aus, Seite an Seite. Die frische Luft tat gut, sogar Paulas Wangen nahmen Farbe an.
    »Schau mal, hier blühen Königskerzen«, rief sie.
    Katinka nickte abwesend. Unerwartet tat es gut, nicht in der Gruppe unterwegs zu sein. Ihre Schritte verlangsamten sich.
    »Wir sollten uns trennen«, sagte sie. »Sonst können wir dieses Netz von Wanderwegen nie absuchen.«
    »O.k.«
    Katinka war höchstens zwei Minuten gegangen. Sie pflückte eine Handvoll vergessener Brombeeren von einem Strauch und ließ sich gerade die süßen Früchte auf der Zunge zergehen, als sie Paula schreien hörte. Langgezogene, vor Entsetzen bebende Schreie. Katinka rannte los.
    Sie fand Paula ein Stück abseits des Weges. Dort stand sie, die Hände auf die Lippen gepresst, und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf Hagen. Er lag auf der Seite, die Hände in seinem Pulli verkrallt, die Augen waren weit aus
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