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Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall

Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall

Titel: Pfeilgift: Katinka Palfys Siebter Fall
Autoren: Friederike Schmöe
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du noch einen anderen.« Paula blies auf ihr Glas. »Nichts Besonderes. Hat sich millionenfach bewährt. Du brauchst nicht zu denken, dass du die Einzige wärst.«
    Mit zwei Schritten war Katinka bei ihr und riss ihr das Glas aus der Hand. Der Rotwein rann über ihre Finger und verstärkte den dunklen Fleck auf dem Teppich.
    »Raus.«
    »Wie ist der andere? Das glatte Gegenteil? Oder ein Abziehbild?«
    Katinka stellte Paulas Glas auf dem Fensterbrett ab. Pumpte die kalte Nachtluft in ihre Lungen.
    »Zwanzig Jahre älter. Übergewichtig. Beamter.«
    »Lehrer?«
    »Schlimmer. Kriminalhauptkommissar. Die Konkurrenz.«
    »Prima. Gegensätze ziehen sich bekanntlich an.«
    »Und dein Geliebter?«
    »Wir reden nicht von mir. Lass von dir hören«, entgegnete Paula, kämpfte sich hoch und eroberte ihr Glas zurück. »Wie ist er im Bett?«
    »Ich weiß es nicht.« Kraftlos hockte sich Katinka auf den Boden.
    »Ich bin baff.« Paula lachte. Es klang fast so schrill wie das singende Glas. »Ihr habt noch nicht?«
    »Nein.« Katinka stützte ihr Kinn in die Hände und seufzte.
    »Bei allen Teufeln, ich bin beeindruckt. Enthaltsamkeit ist keine schlechte Methode. Das hält die Romantik und insbesondere die Leidenschaft lange wach.«
    »Es ist keine Methode.« Ich bin treu, wollte Katinka sagen. Wenigstens im echten Leben, wenn schon nicht in der Fantasie. Vermutlich hatte sie den Satz tatsächlich ausgesprochen, denn Paula antwortete:
    »In der Fantasie sind wir alle Huren. Wilde Austesterinnen. Doch, so ist es, Katinka. Es gibt nichts Besseres als die Fantasie. Du kannst alles ausprobieren. Zwei auf einmal, homo, hetero, bi. Ohne Geschlechtskrankheiten und ohne nachher einen Haufen Verrückte am Hals zu haben oder schwanger zu sein.«
    »Paula, es reicht. Ich habe keinen Nerv mehr. Geh einfach ins Bett.«
    »Ja, ich bin betrunken. Du übrigens auch, trotz deiner warmherzigen Versuche.« Paula deutete auf das Zahnputzglas. »Betrunkene sagen die Wahrheit.«
    »Quatsch. Betrunkene reden mehr Mist als Politiker.«
    »Oder Beamte.«
    Sie schütteten sich aus vor Lachen.
    »Das lockert doch ungemein, oder?«, fragte Paula mit funkelnden Augen, als sie sich einigermaßen beruhigt hatten. »Warum schläfst du nicht mit dem anderen? Wenn die Vorstellung dein Gewissen martert, dann mach dir klar, dass man es besser vor als nach der Eheschließung ausprobiert.«
    Katinka malte sich aus, wie sie an Hauptkommissar Harduin Uttenreuthers Wohnungstür klingelte und sagte: Guten Abend, Hardo. Ich muss unbedingt mit Ihnen schlafen, möglichst jetzt gleich. Es ist ein Test. Sie wissen doch, ich werde heiraten, Sie sind ja Toms auserwählter Trauzeuge. Die Vorstellung war so komisch, dass sie lachen musste. Paula verstand das falsch.
    »Daran ist nichts witzig, Katinka. Wie kannst du einen sausen lassen, nur weil er Beamter und zwanzig Jahre älter ist?«
    »Mehr als zwanzig. Gute Nacht, Paula.«
    Paula stand seufzend auf. Sie trank ihr Weinglas in einem Zug aus und lehnte sich schwankend gegen die Tür.
    »Ich bin sofort weg. Du machst es nicht mit dem anderen. Weil er auch eine andere hat, stimmt’s?«
    »Ja. Stimmt.« Katinka dachte an Elvira Hanf, jene Frau, der Hardo sich seit dem Sommer so schüchtern näherte. »Sie ist bei einem Bombenanschlag schwer verletzt worden. Hat mehrere Operationen und eine anstrengende Reha hinter sich. Das ist kein Spiel, Paula.«
    Paula hustete ausgiebig.
    »Wir haben eine Menge Raum um uns. Müssen ihn nur nutzen, verstehst du? So vieles könnte möglich sein. Wenn wir nur Mut hätten.«
    Im Hinblick auf Hardo bin ich kein mutiger Mensch, dachte Katinka.
    »Dass er eine andere hat, Katinka, bedeutet nichts. Er hat sie wahrscheinlich nur geangelt, weil er bei dir nicht landen konnte. Kommissar bandelt mit Verbrechensopfer an, wie? Das liegt doch auf der Hand: Er fühlt sich verantwortlich und will Schuld abtragen. Kein stabiler Boden für eine Beziehung.«
    Katinka stöhnte leise. Sie wollte nicht daran denken, und doch lieferte ihr Gehirn die Bilder, die sie in mancher Nacht aus düsteren Träumen rissen. Eine verkohlte Garderobe, Blutspritzer an den Wänden, ein menschlicher Fuß, bis auf die Knochen zerfetzt.
    »Wie oft hast du ihn schon abserviert, hm? Wie viele passende Gelegenheiten habt ihr sausen lassen? Macht einen Handel. Sex ohne Konsequenzen. Eine saubere Stilistik, jeder hält sich an die Abmachungen.« Paula grinste. »Ach, ich habe den Chianti vergessen. Du trinkst ihn sowieso nicht mehr?« Sie
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