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Pfefferbeißer - Harz Krimi

Pfefferbeißer - Harz Krimi

Titel: Pfefferbeißer - Harz Krimi
Autoren: emons Verlag
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zu öffnen.
    »Wir wissen noch nicht, ob wir einen neuen Fall haben.« Sie streichelte
ihm über die makellose Haut seiner unbehaarten Brust und hatte das Verlangen,
ihn zu umarmen und abzuküssen. Aber sie spürte, dass er es gerade nicht wollte.
»Und wie war’s bei dir?«
    Es war ihr ein Rätsel, dass sich im Raum Goslar kein Job für einen
intelligenten jungen Halbchinesen mit tadellosem Deutsch und dem
abgeschlossenen Studium des Bergbauwesens fand.
    »Alle passenden Stellen sind besetzt«, war die immer gleiche
Antwort.
    Seit Wochen ging das so. Sina hatte Chao vorgeschlagen, sich etwas
in Braunschweig zu suchen. Mit dem Wagen nur ein Katzensprung entfernt. Er
könne ihren Honda nehmen, hatte sie ihm angeboten. Das Stück zum Präsidium
würde sie zu Fuß gehen, und darüber hinaus gab es Dienstwagen. Aber bisher war
auch die Suche dort erfolglos geblieben.
    Chao öffnete die Augen. Sein Blick war ernst, fast traurig. Seit er
regelmäßig zum Arbeitsamt musste, kannte sie diesen Blick an ihm.
    »Das Essen ist gleich fertig. Reis mit Huhn und chinesischen Pilzen.«
Endlich löste er sich aus seiner Meditationsstarre und faltete die Beine
auseinander, um von der Couch zu rutschen.
    »Wunderbar, mein Schatz«, versuchte Sina ihn aufzuheitern und gab
ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Weißt du, ob Torsten kommt?«
    »Er hat es jedenfalls gesagt.«
    Es war schön, wenn Torsten auch mit ihnen aß. Es ist schön, eine kleine
Familie zu sein, dachte Sina. Doch Chao machte ihr Sorgen.

ZWEI
    Dr.   G.   Fehlinger – G wie Gerald und wie
Gerichtsmediziner – war ein kleiner, schmächtiger Mann mit rasiertem
Schädel, der sich abwechselnd auf die rechte und die linke Seite legte, während
er redete, als wäre er für den dünnen Hals zu schwer. Seine glänzend schwarzen
Augen waren das einzig Spannende in einem Gesicht, das ansonsten unbewegt blieb
und dessen Teint die Farbe seiner Klientel angenommen hatte: leichenblass.
Fehlinger sprach mit kraftloser Stimme, schnell und nicht besonders deutlich,
sodass er sich damit absolute Ruhe erzwang, wollte man ihn verstehen.
    »Ich fange von vorne an«, sagte der Doktor und warf einen kurzen
Blick in Richtung der Ermittler, Kriminalrat Keilberth sowie Staatsanwalt
Mörtenkötter, ohne sie wirklich anzusehen. Dann begann er, entlang der
sargförmigen Edelstahlwanne zu schreiten.
    »Bei dem Toten handelt es sich um einen etwa fünfundzwanzig- bis
dreißigjährigen Mann, eins neunundsiebzig groß. Hautpartikel weisen
unzweifelhaft darauf hin, dass es sich um einen Weißen handelt, Nordeuropäer,
möchte ich meinen.«
    »Und wie lange lag er schon da?«, fragte Niebuhr voreilig, wofür er
von Fehlinger einen mitleidigen Blick kassierte.
    »Wir haben keinen Aufwand gescheut, um das herauszufinden, Herr
Oberkommissar«, gab er spitz zurück. »Nach dem, was uns der Verwesungszustand,
Maden und Insekten verraten, lag der Tote etwa drei bis vier Wochen an der
Stelle. Die für die Jahreszeit ungewöhnlich hohen Temperaturen haben dabei
neben anderen Faktoren die Zersetzung der Leiche begünstigt …«
    »… ist also Anfang bis Mitte Mai zu Tode gekommen«, dachte Sina
laut.
    »So sieht es aus.«
    »Die entscheidende Frage ist: Handelt es sich um Mord oder einen
natürlichen Tod?«, mischte sich jetzt Kriminalrat Keilberth ein.
    »Die Antwort, die wir auf diese Frage gefunden haben«, dozierte
Fehlinger, »wird Sie wahrscheinlich nicht sonderlich befriedigen. Sie lautet:
Wir können es nicht mit Gewissheit sagen.«
    Er blieb stehen, stellte sich hinter die Edelstahlwanne und wies mit
beiden Händen auf die Sammlung zusammenhängend angeordneter, aber längst nicht
vollständiger Knochen, Gewebeteile und Reste der Kopfbehaarung in Form einiger
dunkelblonder Haarbüschel an Stücken verwester Kopfhaut.
    »Wie Sie sicher ahnen, hat sich der Leichnam nicht ausschließlich in
einem normalen Verwesungsprozess zersetzt, sondern es ist nachgeholfen worden,
wenn ich so sagen darf.«
    Der Doktor schürzte die Lippen zu einem unappetitlichen Lächeln, das
eine Reihe brauner Zähne freilegte, den starken Raucher verratend.
    »Genau gesagt: Es hat Wildverbiss gegeben. Anscheinend hat sich
jeder Waldbewohner seinen Teil vom Festmahl geholt.«
    Wieder das Fäulnislächeln.
    »Was spricht für einen Mord?«, fragte Sina ungeduldig. Sie wollte
nach draußen, wo die Sonne schien und es von Menschen wimmelte –
lebendigen, fröhlichen Menschen.
    »Wir konnten viele Spuren an den Knochen
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