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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh
Autoren: Amei Müller
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hatten verschwommene Vorstellungen, Aufgeschnapptes aus der Schule, Zeichnungen an den Wänden der Badekabinen im Freibad. Nein, wir wollten dergleichen nicht so gerne aus Muttis Munde hören! »Ich muß versuchen... Es ist natürlich schwierig...« Mutti seufzte. Da läutete es an der Haustüre. Wir sprangen hoch. »Ich muß aufmachen«, rief Mutti und eilte hinaus. »Es wird meine Freundin sein«, sagte Beate und sauste hinterher. Ich kletterte aus dem Fenster. Das war unsere Aufklärung. —
    Als ich das erste Mal »unwohl« wurde, hatte ich keine Ahnung, mit was ich es da zu tun hatte. Ich hockte vor meiner Kommode auf dem Boden und wühlte in den Fächern. Da sah ich es: Blut in meiner Hose, immer mehr, richtiges rotes Blut!
    »Jetzt muß ich sterben«, war mein erster Gedanke, »ich habe eine tödliche Krankheit, eine Wunde im Bauch.« Mir wurde schlecht. Ich wankte zum Bett und legte mich vorsichtig nieder. Nach dem ersten Schock aber kamen tröstliche Gedanken. »O, wie würde es ihnen jetzt leid tun, daß sie immer so scheußlich zu mir gewesen waren! Wie würden sie leiden unter ihren Versäumnissen, wenn ich erst tot unter dem Boden läge!« Mir kamen die Tränen. Auf dem Totenbett würde ich ihnen alles verzeihen. Sie würden um mich herumstehen oder knien und meine durchsichtigen Hände küssen. Ich würde sie segnen und in Frieden sterben. Aber erst einmal mußte ich es ihnen mitteilen. Mutti sollte es zuerst wissen. Sie war die letzte Zeit ganz besonders scheußlich zu mir gewesen, hatte gesagt, ich sei unausstehlich, und nur mit Gottes Hilfe könne sie meine Launen ertragen. Wie würde sie sich grämen, wenn sie die traurige Wahrheit erfuhr! Wer konnte denn freundlich sein mit dem Tod im Herzen? Im Herzen! Die Wunde schien ein Stück tiefer zu liegen. Ich überzeugte mich noch einmal, ob es auch wirklich Blut war, dann raffte ich mich auf und wankte hinaus.
    Mutti hatte Damenkränzchen. Dabei wollte sie nicht gern gestört werden, hier aber ging es um Minuten. Meine Lebenskraft floß dahin, ich spürte es genau. Schon von draußen hörte ich das Geschnatter, es tat mir weh, die fröhliche Runde zu stören. Ich klopfte und steckte den Kopf durch den Türspalt.
    »Ja, was ist denn?« Mutti war höchst ungnädig.
    »Kannst du mal rauskommen, ich muß dir etwas Wichtiges sagen?«
    »Geht das nicht auch später? Du siehst doch, daß ich Besuch habe .«
    Mutti kam. Ich flüsterte ihr mein entsetzliches Geheimnis ins Ohr. Sie lachte.
    »Ach, darum bist du in der letzten Zeit so schwierig gewesen. Ich dachte nicht, daß es schon so weit wäre. Beruhige dich, es geht allen Frauen so.« Sie lachte wieder. »Es ist nicht schlimm. Ich erklär’ dir’s später.« Dann war sie verschwunden, und drinnen ging das Geschnatter weiter. Mir war schwindlig. Eben noch auf dem Totenbett und jetzt dem Gespött der Leute anheim gegeben. Es war hart. Später habe ich gelernt, aus meiner Schwäche Kapital zu schlagen.
    »Heute kann ich nicht turnen, ich bin unwohl«, diese Worte, der Turnlehrerin ins Ohr geflüstert, befreiten mich von der lästigen Bockspringerei und bescherten mir eine Freistunde. Selbst die langweiligen Appelle der Hitlerjugend mit stundenlangem Stehen, Hissen der Flagge und Absingen trutziger Lieder fanden ein beglückendes Ende durch eine Meldung bei der Führerin.
    »Ich habe heute meine Tage.«
    »Na und«, sie musterte mich angewidert, »ein deutsches Mädchen nimmt sich zusammen!«
    »Ja, natürlich«, sagte ich, »aber meistens falle ich trotzdem in Ohnmacht.«
    Bloß das nicht! Keine Unordnung im Glied! Ich war entlassen und wandelte frohgemut nach Hause. Leider hatten auch andere Mädchen in meiner Klasse wenig Freude am Turnunterricht, so daß sich die »Krankmeldungen« bedrohlich häuften. Nach einer Turnstunde mit nur fünf Bockspringerinnen erklärte die Turnlehrerin, sie glaube nicht, daß dies mit rechten Dingen zuginge, und sie werde nun genau Buch führen. Wir waren sehr froh, als im nächsten Jahr ein Sportlehrer kam, der keine Berechnungen dieser Art anstellte.

    Die Hochzeitsgäste hingen aus allen Fenstern des Hauses, winkten und schwenkten ihre Tücher. Stefan stand auf der Treppe und trompetete: »So leb denn wohl, es war so schön gewesen...« Gitti heulte und Christoph bekränzte den Motorroller mit Papierschlangen. Dann fuhren wir davon. Das Wagnis zu zweit konnte beginnen. — Ich war guten Mutes. Das schönste Nachthemd aller Zeiten lag in meinem Koffer. Es gehörte allerdings
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