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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh
Autoren: Amei Müller
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meiner Schwester Beate, aber ich hatte es im Trubel des Aufbruches unbemerkt aus ihrem Zimmer holen können. Die Unkenrufe der Tanten klangen mir noch im Ohr, aber keine von ihnen war verheiratet. In Büchern hatte ich von ungeahnten Wonnen gelesen. Die schönste Zeit meines Lebens stand bevor: Vierzehn Tage und Nächte, erfüllt mit ehelichen Freuden!
    Das bestellte Zimmer in einem bayerischen Bauernhaus mit Balkon und herrlicher Aussicht auf die Berge befand sich bei unserer Ankunft gerade im Umbau. Wir mußten für die ersten Tage mit einem anderen vorlieb nehmen. Es war ein enger Verschlag im Erdgeschoß mit wenig Mobiliar. Die schmalen Betten standen hintereinander an der Wand. Sie ächzten und knarrten schon bei geringer Beanspruchung. Die Türe hatte keinen Schlüssel, dafür aber ein Guckloch, durch das man von außen ins Zimmer schauen konnte. Das Fenster ging hinaus auf den Hof und bot freie Aussicht auf Misthaufen und Stallungen. Unter dem Fenster befand sich die Hundehütte, so daß wir vor Einbrechern sicher waren. Leider hatte der Hofhund die unangenehme Angewohnheit, auf die Hundehütte zu springen und von dort in unser Zimmer zu kläffen, wenn er irgendwelche Geräusche hörte oder gar Licht bei uns sah. So mußten wir im Dunkeln zu Bett gehen und das schönste Nachthemd aller Zeiten fand keine Beachtung.
    Nun hätte uns die herrliche Natur über manche Schwierigkeiten hinwegtrösten können, wäre sie nicht von unglaublichen Mengen Rindviehs bevölkert gewesen. Es gibt Menschen, die eine besondere Vorhebe für Kühe haben, ihnen den Nacken kraulen oder das triefende Maul streicheln. Andere gehen beherzt über Almen und Weiden durch ganze Herden von Kühen, stoßen sie beiseite oder treiben sie mit einem Stecken vom Weg. Manche dringen sogar in die Ställe ein, schnuppern entzückt den warmen Misthauch und kennen keine größere Freude, als selbst einmal an den Eutern ziehen zu dürfen, uneingedenk der Gefahren, die auf sie lauern.
    Ich gehöre nicht zu diesen Menschen. Mir bricht der Angstschweiß aus allen Poren, wenn ich eine Kuh erblicke. Freundliche Bauern, die mir ihre Ställe zeigen wollen, stoßen auf eisige Ablehnung.
    Am Morgen nach der Hochzeitsnacht beschlossen wir, eine Wanderung zu machen und uns so weit wie möglich von knarrenden Betten und kläffenden Hofhunden zu entfernen. Die Sonne schien warm. Wir freuten uns auf einsame Plätzchen mit schöner Aussicht und weichem Gras. Der Wanderweg endete vor einem Gatter. Manfred sprang mit einem Satz hinüber, ich blieb draußen stehen.
    »Du kannst doch nicht einfach über die Weide gehen!« sagte ich.
    »Warum nicht?« erwiderte er, »hier ist das Wegzeichen.«
    »Aber da weiden Kühe. Komm zurück, schnell.« Er lehnte sich über das Gatter und sah mich an.
    »Du hast doch nicht etwa Angst vor Kühen?«
    »Ich, vor Kühen? Nein. Wie kommst du darauf?« Ich kletterte über den Zaun.
    »Jetzt habe ich wirklich einen Augenblick gedacht, du furchtest dich vor Kühen.« Manfred lachte. Ich lachte auch, laut und herzlich, aber nicht lange. Vor uns stand eine Kuh. Sie reckte ihr Gehörn, sie starrte uns feindselig an. Natürlich, wir waren in ihr Revier eingedrungen, gleich würde sie uns anfallen. Ich klammerte mich an Manfred und versuchte, ihn zurückzuzerren.
    »Laß uns laufen! Schnell! Es ist ein Stier!«
    »Ein Stier? Daß ich nicht lache! Seit wann haben Stiere Euter?« Er hob den Wanderstock, und siehe da, das Ungetüm trollte sich beiseite. Ich trocknete mir die Stirn.
    »Kühe sind friedliche Tiere. Keiner Fliege tun sie etwas zuleide. Sie sind froh, wenn du sie in Ruhe läßt!«
    Wir gingen weiter. Die Kühe weideten friedlich am Wege. Manfred belehrte mich über die guten Eigenschaften dieser Tiere. »Na«, sagte er schließlich, »hast du jetzt noch Angst?«
    Nein, ich ging furchtlos meines Weges.
    Dann kam eine Kuh über die Wiese auf uns zugetrottet, die Hörner gesenkt, sie brüllte. Ich auch. Ich rannte über die Wiese dem rettenden Gatter zu. Die Herde trampelte hinterher, daß der Boden dröhnte. Mit einem letzten verzweifelten Satz sprang ich über den Zaun und fiel ins Gras. Ich war gerettet, aber wie stand es mit Manfred. Hatten sie ihn zertrampelt oder auf die Hörner genommen? Ich wagte nicht aufzuschauen. Dann hörte ich ihn lachen, roh und grausam.
    »Das war ein Bild! Du als die Leitkuh, und die ganze Herde hinter dir. Ich habe es photographiert. Ja, gibt es denn sowas? Wie kann ein denkender Mensch vor Kühen
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