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Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Pfarrers Kinder Muellers Vieh

Titel: Pfarrers Kinder Muellers Vieh
Autoren: Amei Müller
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Verzerrung«, sagte ich und lächelte tapfer. Er legte den Arm um mich.
    »Wie rührend, daß Sie trotzdem gekommen sind. Aber tanzen können wir nun natürlich nicht.«
    »Vielleicht können wir ein bißchen zusehen« meinte ich, »weil ich mich nämlich so sehr auf den Abend gefreut habe.« Er war rührend besorgt, verschaffte uns einen schönen Platz, und so konnte ich mir die Sache in Ruhe anschauen. Die Pärchen schienen vergnügt zu sein. Sie tanzten und unterhielten sich dabei, als ob Tanzen die einfachste Sache der Welt wäre. Der Raum war in angenehmes Schummerlicht gehüllt, die Musik spielte gedämpft, die Paare drehten keine wilden Figuren, sondern hielten sich engumschlungen. Bedrohlich viele hübsche Mädchen saßen an den Tischen und warfen begehrliche Blicke auf meinen Partner. Lange würde es nicht mehr dauern, dann würde er mir weggeschnappt. Hier galt es, schnell zu handeln. Diesmal wollte ich nicht sitzenbleiben.
    »Ich möchte so gerne tanzen«, sagte ich zu dem jungen Mann an meiner Seite, »wenn Sie ein bißchen Geduld mit mir haben, wird es sicher gehen.«
    Wir tanzten, und es war wundervoll. Ich brauchte mir keine Sorgen zu machen, ich konnte tanzen, wie ich wollte, ungeschickt und tolpatschig. Ich war nicht schuld, es war der schlimme Fuß. Ich beglückwünschte mich zu meiner großartigen Idee.
    Ein paar Tage später stolperte ich über eine Stufe, fiel und verstauchte mir den linken Fuß. Es war sehr schmerzhaft.

    Das Hochzeitsfest erreichte seinen Höhepunkt. Die Geschwister besangen Ereignisse aus dem Leben der Braut. Zu meiner Erleichterung nahmen sie nur freundliche Begebenheiten aufs Korn und verschreckten den Bräutigam nicht mit Eigenschaften, die er noch früh genug bei seiner Eheliebsten erkennen würde. Gitti balancierte die Flöte in zitternden Händen und blies dann ihr tausendmal gehörtes »Martha, Martha, du entschwandest«. Sie wurde so stürmisch gefeiert, daß sie sich erbot, noch ein zweites Stückchen zu spielen, worauf der Applaus schnell verebbte. Onkel Wilhelm sang das Pommernlied, vom Schluckauf mehrfach unterbrochen, und Christoph führte sein immer wieder gern gesehenes Glanzstück vor, welches »Tarzan, der Urwaldmensch« hieß.
    Nach dem Kaffee mit Tante Mathildes Köstlichkeiten zog sich das Brautpaar zurück. Schleier und Unterröcke fielen. Warme Motorradkleidung für die Hochzeitsreise lag bereit. Manfred wurde zum Umziehen in eines der Bubenzimmer gedrückt. Um mich aber versammelten sich die Tanten. Sie wirkten bekümmert und verstört. Einige weinten. Thildchen zog mir den Schal zurecht und flüsterte: »Sei tapfer, mein armes Kind.« Sie schaute mich an mit zuckenden Lippen. Ein Aufseufzen ging durch die Reihen. Was kam da Grauenvolles auf mich zu?

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    Bei den Hochzeitsvorbereitungen hatte ich die Ehestandslieder im Gesangbuch durchgeblättert. Dabei war mir ein Vers aufgefallen:

    »...Auch laß uns in der Nächte Grauen
    Auf Deine treue Hilfe schauen,
    Mit kindlichem Gemüte. —
    Selig, fröhlich, selbst mit Schmerzen
    In dem Herzen,
    Dir uns lassen,
    Und dann in Geduld uns fassen.«

    Mutti schloß mich noch einmal in die Arme. »Kind, ich habe dich ja aufgeklärt«, sagte sie. »Es wird nicht leicht für dich sein, aber du solltest alles tun, was dein Mann will! Mit Gottes Hilfe wirst du’s schaffen!«
    Sehr genau hatte es meine Mutter mit der Aufklärung nicht genommen. Ich konnte mich noch gut an die denkwürdige Stunde erinnern. Beate war damals fünfzehn, ich dreizehn Jahre alt.
    »Kinder«, hatte meine Mutter mit belegter Stimme zu uns gesagt, »kommt mit ins Gartenzimmer, ich habe etwas wichtiges mit euch zu besprechen.« Bedrückt schlichen wir hinter ihr her, welche Untat hatte sie wohl entdeckt? Wir setzten uns aufs Sofa und rutschten unruhig hin und her. Sie nahm auf der Kante des Klavierstuhles Platz.
    »Ihr seid nun bald erwachsene Menschen«, begann sie nach längerer Pause, »es ist meine Pflicht, euch gewisse Dinge zu erklären...« sie stockte. Wir wurden beide rot und schielten verlegen aus dem Fenster. »Ihr wißt, daß das Kind unter dem Herzen der Mutter heranreift...« Ja, wir wußten es. Wir hatten drei kleine Geschwister heranreifen sehen, allerdings ziemlich weit unter dem Herzen, mehr in der Bauchregion wollte uns scheinen. »Nun möchtet ihr sicher wissen, wie das Kind da hineinkommt...« Muttis Stimme zitterte. Wir waren gar nicht scharf darauf, zu erfahren, wie sich diese Sache zutrug. Wir
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