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Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)

Titel: Petersburger Erzählungen: Fischer Klassik PLUS (German Edition)
Autoren: Nikolai Gogol
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so daß man mich nur mit Mühe festhalten konnte. Ich kann die Bedeutung dieser sonderbaren Sitte nicht begreifen. Eine dumme, unsinnige Sitte! Mir ist die Unvernunft der Könige, die sie bisher noch nicht abgeschafft haben, unverständlich. Ich glaube, daß ich allem Anscheine nach in die Hände der Inquisition gefallen bin und daß der Mann, den ich für den Kanzler gehalten, der Großinquisitor selbst ist. Aber ich kann noch immer nicht verstehen, wie der König der Inquisition verfallen konnte. Allerdings kann hier Frankreich die Hand im Spiele haben, und insbesondere Polignac. Was für eine Bestie ist doch dieser Polignac! Er hat geschworen, mir bis an mein Lebensende zu schaden. Und so verfolgt er mich unaufhörlich; aber ich weiß, Freund, daß dich England anstiftet. Die Engländer sind große Politiker. Sie haben überall ihre Hand im Spiele. Das weiß die ganze Welt: wenn England Tabak schnupft, so muß Frankreich niesen.
    Den 25.
    Heute kam der Großinquisitor wieder in mein Zimmer, aber als ich seine Schritte in der Ferne vernahm, verkroch ich mich unter einen Stuhl. Als er mich nicht im Zimmer sah, fing er an, mich zu rufen. Erst schrie er: »Poprischtschin!« – Ich gab keinen Ton von mir. Dann: »Aksentij Iwanowitsch! Titularrat! Edelmann!« – Ich schwieg noch immer. – »Ferdinand VIII., König von Spanien!« – Ich wollte schon den Kopf herausstecken, sagte mir aber: »Nein, Bruder, du führst mich nicht an! Ich kenne dich: du wirst mir wieder kaltes Wasser auf den Kopf gießen.« Aber er entdeckte mich und jagte mich mit dem Stock unter dem Stuhle hervor. Dieser verdammte Stock tut furchtbar weh. Dafür hat mich jedoch die Entdeckung, die ich heute machte, entlohnt: ich erfuhr, daß jeder Hahn sein Spanien hat: es befindet sich in seinem Gefieder, in der Nähe des Schwanzes. Der Großinquisitor verließ mich aber erbost und mir irgendeine Strafe androhend. Ich achte aber nicht auf seine ohnmächtige Wut, denn ich weiß, daß er nur wie eine Maschine, als ein Werkzeug Englands handelt.
    Da 34 tum Mon. Ihra Februar 349.
    Nein, ich kann es nicht länger ertragen. Gott, was machen sie mit mir! Sie gießen mir kaltes Wasser auf den Kopf! Sie sehen nicht auf mich, sie hören nicht auf mich. Was habe ich ihnen getan? Warum quälen sie mich so? Was wollen sie von mir Armem? Was kann ich ihnen geben? Ich habe nichts. Ich habe keine Kraft, ich kann alle diese Qualen nicht ertragen, mein Kopf brennt, und alles wirbelt vor meinen Augen. Rettet mich! Nehmt mich von hier fort! Gebt mir ein Dreigespann so schnell wie der Wind! Steig ein, Kutscher, klinge, mein Glöckchen, schwingt euch auf, Pferde, und tragt mich aus dieser Welt fort! Weiter, immer weiter, daß ich nichts mehr sehe. Da ballt sich der Himmel vor mir zu Wolken; ein Sternchen funkelt in der Ferne; der Wald mit den dunklen Bäumen und dem Monde jagt an mir vorbei; blaugrauer Nebel breitet sich zu meinen Füßen aus; eine Saite klingt im Nebel; auf der einen Seite liegt das Meer, auf der anderen Italien; da lassen sich auch russische Bauernhäuser erkennen. Ist es nicht mein Haus, das dort in der blauen Ferne sichtbar wird? Sitzt nicht meine Mutter am Fenster? Mütterchen, rette deinen armen Sohn! Lasse eine Träne auf seinen kranken Kopf fallen! Schau, wie sie ihn quälen! Drücke den Armen, Verlassenen an deine Brust! Es ist kein Platz für ihn auf dieser Welt! Man hetzt ihn herum! Mütterchen, erbarme dich deines kranken Kindes! … Wißt ihr übrigens, daß der Bei von Algier eine Beule unter der Nase hat? …

Anhang
    Editorische Notiz
    Dem vorliegenden Band liegt folgende Ausgabe zugrunde:
    Nikolai Gogol: Petersburger Erzählungen/Fürst Wladimir Odojewskij. Magische Novellen. Deutsch von Alexander Eliasberg. München o.J. [1922]

    Eindeutige Druck- und Satzfehler wurden korrigiert.

Daten zu Leben und Werk
1809
20. März (1. April nach Gregorianischem Kalender): Nikolai Wassiljewitsch Gogol wird in Bolschije Sorotschinzy, Bezirk Poltawa, als Sohn des Gutsbesitzers Wassili Afanasjewitsch Gogol-Janowski und seiner Frau Marija Iwanowna, geb. Kosjarowskaja geboren.

1818
Gogol und sein jüngerer Bruder besuchen die Bezirksschule in Poltawa, nach dem Tod des Bruders im folgenden Jahr erhält Gogol Privatunterricht.

1821
Eintritt in das Gymnasium in Nischyn.

1825
Tod des Vaters. Erste literarische Versuche Gogols.

1828
Gogol beendet die Schulausbildung in Nischyn, verbringt den Sommer und Herbst zu Hause in Wassiljewka und reist im
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