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Peter Pan

Peter Pan

Titel: Peter Pan
Autoren: James M. Barrie
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erklärte, konnte er sich nicht erinnern.
    »Es gibt so viele davon«, sagte er. »Ich nehme an, sie ist tot.«
    Ich nehme an, er hatte recht, denn Feen leben nicht lange, aber sie sind so klein, daß ihnen ihre kurze Zeit nicht besonders kurz vorkommt.
    Es schmerzte Wendy auch, daß ihm das letzte Jahr wie ein Tag vorkam; sie hatte das Gefühl, eine Ewigkeit auf ihn gewartet zu haben. Aber er war genauso faszinierend wie früher, und sie erlebten ein herrliches Frühjahr in dem kleinen Haus in den Bäumen.
    Im nächsten Jahr kam er nicht.
    »Vielleicht ist er krank«, sagte Michael.
    »Du weißt doch, er wird niemals krank.«
    Michael kam ganz nah und flüsterte, und seine Stimme bebte: »Vielleicht gibt es ihn gar nicht, Wendy!«
    Da hätte sie fast geweint – wenn Michael nicht schon geweint hätte.
    Peter kam im nächsten Frühjahr, und das Merkwürdige war, daß er überhaupt nicht wußte, daß er ein Jahr ausgelassen hatte.
    Es war das letzte Mal, daß Wendy, das Mädchen Wendy, ihn sah. Eine Weile noch versuchte sie um seinetwillen, nicht daran zu denken, daß sie größer wurde, und sie hatte richtig das Gefühl, sie würde ihn betrügen, als sie in der Schule einen Preis für gute Leistungen bekam. Aber die Jahre gingen dahin, ohne daß der treulose Knabe sich blicken ließ, und als sie sich wieder trafen, war Wendy eine verheiratete Frau, und Peter war für sie nicht mehr als das bißchen Staub, das sich in der Spielzeugkiste angesammelt hatte. Wendy war erwachsen. Du mußt sie nicht bedauern. Sie gehörte zu denen, die gern erwachsen werden. Schließlich wurde sie einen Tag früher erwachsen als andere Mädchen.
    Alle Jungen waren nun erwachsen und verloren.
    Darum lohnt es kaum, etwas über sie zu sagen. Die Zwillinge und Nibs und Curly gehen jeden Tag ins Büro, und jeder trägt eine Aktentasche und einen Schirm.
    Michael ist Lokomotivführer. Slightly hat eine Dame aus dem Adel geheiratet und führt den Titel eines Lords.
    Und der Richter da mit der Perücke, der zur Eisentür
    herauskommt, das war einmal Tootles. Der Mann mit dem Bart, der seinen Kindern keine Geschichten erzählt, weil er keine weiß, ist einmal John gewesen.
    Wendy heiratete in Weiß mit einer rosa Schleppe. Es ist seltsam, daß Peter nicht in der Kirche auftauchte und die Sache verhinderte.

    Die Jahre vergingen, und Wendy hatte eine Tochter.Sie hieß Jane, und sie hatte einen merkwürdig fragen-den Blick, und zwar vom ersten Moment an, als wollte sie immerzu etwas wissen. Als sie alt genug war, wirklich Fragen zu stellen, drehten sie sich meist um Peter Pan.
    Sie konnte nicht genug von ihm hören, und Wendy erzählte ihr alles, was sie noch wußte – in demselben Kinderzimmer, in dem der berühmte Flug begonnen hatte. Es war jetzt Janes Kinderzimmer, denn ihr Vater hatte das Haus von Wendys Vater gekauft, der keine Lust mehr hatte, Treppen zu steigen. Mrs. Darling war schon tot.
    Jetzt gab es nur noch zwei Betten im Kinderzimmer, das von Jane und das ihres Kindermädchens; eine Hundehütte gab es nicht, denn Nana war auch gestorben.
    Am Ende war es immer schwieriger mit ihr geworden, weil sie steif und fest behauptete, daß keiner außer ihr mit Kindern umgehen könnte.
    Einmal die Woche hatte Janes Kindermädchen ihren freien Abend, dann brachte Wendy Jane ins Bett. Das war die Zeit für Geschichten, und Jane hatte sich dafür etwas ausgedacht: Sie zog ihrer Mutter und sich selber die Decke über den Kopf, und in dieser schrecklichen Dunkelheit flüsterte sie: »Was sehen wir jetzt?«
    »Ich glaube nicht, daß ich heute abend etwas sehe«, sagt Wendy, denn sie hat das Gefühl, daß Nana, wenn sie jetzt hier wäre, gegen die Geschichte protestieren würde.
    »Doch, doch«, sagt Jane, »du siehst dich selbst, als du noch ein kleines Mädchen warst.«
    »Das ist lange her, mein Schatz. Oje, die Zeit vergeht wie im Flug.«
    »Im Flug?« fragt das schlaue Kind. »Wie du geflogen bist als kleines Mädchen?«
    »Wie ich geflogen bin! Weißt du, Jane, manchmal frage ich mich, ob ich jemals richtig geflogen bin.«
    »Doch, doch.«
    »Die gute alte Zeit, als ich noch fliegen konnte!«
    »Warum kannst du jetzt nicht mehr fliegen, Mama?«
    »Weil ich erwachsen bin, Liebes. Wenn man erwachsen wird, vergißt man, wie das geht.«
    »Wieso vergißt man das?«
    »Weil man nicht mehr froh und unschuldig und herzlos ist.
    Nur die Frohen und Unschuldigen und Herzlosen können fliegen.«
    »Was ist das: die Frohen und Unschuldigen und Herzlosen?
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