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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Peter Ransley
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der so zornig aus seinem emailliertem Nest blickte, dass ich instinktiv zurückschreckte, aus Furcht, er könnte sich auf mich stürzen. Matthew sagte, seine Augen seien Rubine und eine der Klauen umklammere eine Perle, unregelmäßig geformt, als sei sie gerade erst der Erde entrissen worden.
    Ich streckte meine Hand danach aus, doch er schlug sie fort. »Nix da!«
    Seine Angst schien zu schwinden, während er den Anhänger betrachtete. Er lächelte, liebkoste ihn beinahe und murmelte etwas vor sich hin. Ein Holzscheit verrutschte, und in die aufhellenden Flammen funkelte die goldene Kette. Er schien eher zu dem Anhänger zu sprechen als zu mir, als fiele er angesichts des rotäugigen Falken in eine Art Trance. Er habe eine Dame gesehen, sagte er, eine richtige Dame, und ihr Haar sei genau so hellrot gewesen wie meines.
    »Werde ich sie heiraten?«
    »Nein. Sie nicht. Du wirst ein großes Vermögen machen. Und es wieder verlieren.«
    »Eine Krone?«
    Er schüttelte sich vor Lachen. Er schien zu seiner normalen Verfassung zurückgefunden zu haben. Ich liebte sein Lachen, bei dem sein Bauch und seine Wangen bebten, denn es lag immer so viel Freundlichkeit darin, selbst, wenn er sich über mich lustig machte.
    »Viel mehr als eine Krone, Junge.«
    Er steckte den Anhänger in den Beutel zurück und zog sein Hemd und das Wams darüber. Der Falke schien zu flattern, als er verschwand, und er erinnerte mich an den Vogel auf der Flagge, die auf dem Schiff des alten Edelmanns wehte.
    »Hat der Anhänger etwas mit dem edlen Herrn zu tun?«, fragte ich.
    Er packte mich an der Kehle. Einen Augenblick lang glaubte ich, er würde mich würgen, bis alles Leben aus mir gewichen sei, als Ausgleich dafür, dass er mich nie geschlagen hatte. »Wer sagt das? Wer hat dir das erzählt? Antworte mir!«
    »Nie…mand«, würgte ich hervor. »Der Vogel sieht genauso aus wie der auf der Flagge.«
    Er lachte und ließ mich los. »Überhaupt nicht! Kein bisschen!«
    Ich glaubte, dass er log. Ständig blickte er hinter sich, wirbelte herum, sobald er eine Bewegung im Schatten wahrnahm, obwohl es nur ein Hund war, der nach Speiseresten suchte.
    »Sag mir«, verlangte er, »ob du in der letzten Zeit jemals einen Mann gesehen hast mit einer Narbe im Gesicht. Inzwischen lässt er sich Herr nennen.« Er verzog das Gesicht zu einem Lächeln, das keines war, und zeichnete mit den Fingern eine Linie vom Mundwinkel über die rechte Wange bis zum Hals. »Er arbeitet für den alten Edelmann. Wenn du ihm begegnest, glaubst du nicht mehr, dass er so freundlich ist.« Als ich nichts sagte, stieß er sein Gesicht voller Wucht gegen meines, dass ich vor Schreck einen Satz machte.
    »Verstehst du?«
    Ich nickte stumm. Ich verstand, dass der alte Edelmann, der Mann mit der Narbe und der Anhänger irgendwie zusammenhingen. Und ich begriff, dass Matthew ein Dieb war, denn wie sonst hätte er in den Besitz des Anhängers gelangt sein können? Mir machte es nichts aus, denn Poplar war voll von Leuten, die vor irgendetwas davonrannten; Beutelschneider, Flüchtlinge, Lehrlinge, Schuldner, Huren. Aber ich glaubte, dass er vor mehr davonlief als vor der Tatsache, ein Dieb zu sein. Und es beunruhigte mich, nicht zu wissen, was es war.
    »Ich weiß nicht, was eine Geschichte und was die Wahrheit ist«, sagte ich.
    Er lachte brüllend. »Wenn die Menschen je den Unterschied zwischen den beiden Dingen erführen«, sagte er, »würde die Welt ganz anders aussehen.«
    Mehr sagte er nicht, außer: »Du bist ein seltsamer Junge, und ein ganz besonderer dazu.« Das sagte er auf dem Heimweg, als er wieder die Freundlichkeit in Person war.
    In jener Nacht erwachte ich und hörte, wie er mit Susannah stritt, unten, wo sie schliefen. Ich schlief oben, zusammen mit den Seeleuten, die wir als Logiergäste aufnahmen.
    »Ein Boot?«, rief sie. »In meinem ganzen Leben war ich noch nie auf einem Boot. Wo werden wir hinfahren?«
    Mehr hörte ich nicht, weil er sie schlug. Am nächsten Tag erklärte er mir, dass wir mit dem Boot nach Hull fahren würden. Ich hatte so viele Schiffe entstehen sehen, dass ich ganz versessen darauf war, endlich auch einmal mit einem hinaus aufs Meer zu fahren. Und so bombardierte ich ihn mit Fragen, in welchem Teil Indiens Hull läge und ob es dort Papageien und Elefanten gäbe.
    Doch ehe das Schiff ablegte, kamen sie. Ein Fährmann brachte sie, und ein Schiffszimmerer brachte mich zu ihnen. Matthew war nirgends zu sehen. Ängstlich blickte ich zu den
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