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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Peter Ransley
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Gesichtern der beiden empor, aber ich konnte keine Narbe entdecken.
    Master Black war seinem Namen entsprechend in schlichtes Schwarz gekleidet, aufgehellt nur durch die Ärmelkrausen aus feinem Leinen. Er hatte einen Stock und hinkte leicht. Der Mann, den ich später Gloomy George, den finsteren George, nannte, war ein magerer Mann mit eng zusammenstehenden Augen und misstrauischem Blick. Ständig sah er sich um, als fürchte er, jemand könnte ihm seine Tasche stehlen.
    Susannah bekam einen ihrer Zitteranfälle, als ich nach Hause gebracht wurde, und schien kaum zum Sprechen in der Lage zu sein. Die beiden Männer füllten unsere winzige Kammer fast gänzlich aus. Susannah rannte zu unserer Nachbarin, Mutter Banks, um Dünnbier zu holen, doch Mr Black warf nur einen Blick auf den Krug und wies ihn barsch zurück.
    Gloomy George holte eine Bibel aus dem Kasten hervor, den er bei sich trug. Ich dachte, sie seien von der Kirche und gekommen, um zu überprüfen, ob ich tatsächlich ein Wunder sei, weil mir die Gabe des Lesens verliehen worden war. Er schlug das Buch Jesus Sirach auf. Mein Herz wäre mir in die Stiefel gerutscht, wenn ich welche besessen hätte. So sehr ich das Neue Testament liebte, weil es von der Liebe handelte, so sehr verabscheute ich das Alte, da es ebenso voll von Rache und Hass war wie von langen Wörtern. Mit wachsender Panik starrte ich auf die Textstelle, die von Weisheit handelte.
    »Mein Sohn, lerne die Lektion der Jugend«, brachte ich gerade eben noch hervor, stolperte dann über »Weisheit sammelnd«, und bei »Nur für den undisziplinierten Verstand scheint sie eine im Übermaß fordernde Herrin zu sein« stürzten die Wörter über mir zusammen wie Holzbalken eines Schiffes, wenn der Flaschenzug riss.
    »Die Weisheit ist also eine im Übermaß fordernde Herrin für dich, Tom?«, sagte Mr Black.
    »Nein, Sir«, murmelte ich, wie ich glaubte, aufrichtig, denn ich mochte die Weisheit, so wenig ich auch über sie wusste. Doch vielleicht sagte ich es auch, weil ich das für die Antwort hielt, die er von mir erwartete.
    »Was bedeuteten also diese Worte?«
    Ich starrte in seine Augen, die so schwarz waren wie seine Kleidung und so kalt wie Frost. Elend und beschämt schüttelte ich den Kopf. Ich war ertappt. Ich war nicht nur kein Wunder, ich war überdies ein Schwindler und Betrüger. Noch heute sehe ich, wie Susannah die Hände rang und die Augen niederschlug. Sie begann zu erklären, dass es ihre Schuld sei, sie habe vor den Nachbarn zu sehr geprahlt und jetzt habe Gott sie gestraft, indem er die Wörter fortnahm. Doch als Mr Black das Buch mit einen Knall zuklappte, verstummte sie.
    Aus seinem Kasten zog Gloomy George ein Schreibpult hervor, dazu eine Feder, Tinte und Papier. Er tunkte die Feder in die Tinte und reichte sie mir.
    »Vielleicht kannst du besser schreiben als lesen.«
    Ich starrte das leere Blatt Papier an, so wie ich jetzt auf das Blatt vor mir starre, kaum imstande zu glauben, dass ich mich so verhielt, wie ich es tat.
    »Los jetzt. Schreib deinen Namen, Kind.«
    Ich konnte es, ein mühseliges Gekritzel, auf das ich gleichwohl stolz war. Doch ich sah ihr Hohnlächeln und hörte die Geringschätzung in ihren Stimmen. Diese Genugtuung würde ich ihnen nicht gönnen. Das Blut brannte in meine Wangen, und ich schleuderte die Feder von mir. Ein Tintenspritzer landete auf dem feinen Linnen von Mr Blacks Ärmelaufschlag. Ich sah das Entsetzen in Gloomy Georges Gesicht, kurz bevor ich den Hieb von Mr Blacks Stock auf meinen Schultern spürte.
    Ich taumelte nach vorn, stürzte über den Schreibtisch, Tinte spritzte aus dem Horngefäß. Ein weiterer Schlag traf mich am Kopf, und ich fiel zu Boden. Susannah schrie. Über mir sah ich nur verschwommen Mr Blacks Stiefel und die Metallspitze des Stockes, die sich hob und senkte. Ich schützte meinen Kopf mit den Armen und rollte mich durch das Durcheinander aus Papier und Tinte zur Seite. Als der Stock den Boden neben mir traf, packte ich ihn und hielt ihn fest. Um nicht vornüber zu stürzen, war Mr Black gezwungen, ihn loszulassen.
    Ich rappelte mich auf und packte den Stock fester. Wenn er wütend gewesen war, als ich die Feder fortgeschleudert hatte, so war er jetzt überrascht. Er wich zurück und stürzte in seiner Hast beinahe über Gloomy George. Gaffend und mit aufgerissenem Mund stand Susannah daneben. Beschmiert mit Tinte und Blut, das mir übers Gesicht lief, musste ich auf die beiden Männer wie ein wildes Tier
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