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Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Pestsiegel: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Peter Ransley
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Kopf. Er kannte jeden Fall im Umkreis von zwanzig Meilen. Manche mochten der Quarantäne entgangen sein, aber das war unwahrscheinlich. Noch unwahrscheinlicher war es, dass die Seuche sich immer noch ausbreitete. Die schneidende Kälte in der Luft und die geringer werdende Anzahl an Leichen verrieten ihm, dass der Ausbruch so gut wie vorüber war.
    Langsam schüttelte Matthew den Kopf. »Horseborne, Sir? Kann nicht sein.«
    So mühevoll, wie er seinen kleinen Grundbesitz aufgebaut hatte, so sorgsam hatte Mr Eaton auch an seiner Art zu sprechen gearbeitet. Anders als Matthew mit seiner langsamen, verwaschenen Sprechweise ahmte er den kühlen, spöttischen Tonfall der über ihm Stehenden nach.
    »Ich fürchte, es kann sein. Sie breitet sich immer noch aus.«
    Die Wolken hatten inzwischen schwarze Ränder, und der Wind frischte auf. Als wüssten sie, dass es ein kurzer Abend werden würde, machten die Mauerschwalben Sturzflüge über das Wasser, um Fliegen zu fangen. Schon bald würden sie davonfliegen, ganze Schwärme von ihnen, und im Himmel verschwinden. So wie die Schwalben wussten, dass es keine Fliegen mehr gab, wusste Matthew, dass es in Horseborne keine Pest gab.
    »Ich sammle es morgen ein.«
    Trotz seiner Angst, sowohl vor den Leichen im Karren als auch wegen des Fluchs, mit dem Matthew ihn möglicherweise belegen könnte, drängte Mr Eaton sein Pferd dichter heran. Sein Tonfall wurde wieder zu einem bäuerlichen, gedehnten Singsang mit scharfem Unterton.
    »Du wirst es heute holen.«
    »Es gibt keine Papiere«, erwiderte Matthew starrsinnig.
    Nicht alle Menschen, die in der Grube endeten, waren Opfer der Pest. Um die Armen machte sich niemand übermäßig Sorgen, aber als ein Bauer umgebracht und in die Grube geworfen worden war, hatten die Wachen Matthew eingebläut, wie wichtig die Papiere seien, mit denen sie vor seiner Nase herumfuchtelten, ehe sie ein versiegeltes Pesthaus öffneten. Und Susannah hatte Matthew eingeschärft, niemandem, den Gott nicht mit der Pest gestraft hatte, ein christliches Begräbnis zu verweigern.
    Aus einem Beutel am Sattel zog Mr Eaton ein Dokument hervor. Er machte sich nicht die Mühe, näher heranzukommen, da er nicht erwartete, dass Matthew es lesen konnte. Das Papier allein genügte. Später konnte Matthew sich nicht entsinnen, ob es unterschrieben gewesen war, aber der Anblick von Falkenklauen, die einen Schild umklammerten, hatte sich in sein Gedächtnis gebrannt. Es war Lord Stonehouse’ Siegel, und dessen Wort war Gesetz.
    Der Wind beugte die Bäume über Matthew, und was von der Sonne übrig war, verbarg sich hinter dunklen Wolken. Er würde eine Stunde brauchen, um nach Shotover Hill zu gelangen – dorthin, wo auch der Bauer, der betrunken vom Markt zurückgekehrt war, ermordet worden war. Anschließend würde er nach Oxford zurückkehren und am nächsten Tag ein gebrochenes Rad oder ein lahmes Pferd vorschieben. Er ging zu seinen Tieren.
    »Dann breche ich besser auf«, sagte er.
    »Du wirst tun, was ich sage! Keine Ausflüchte!«
    Matthew starrte ihn an. Der Verwalter hatte den Ruf, sich vor nichts zu fürchten, aber irgendetwas hatte ihn erschreckt. Er hatte die Worte so heftig hervorgestoßen, dass ihm die Kräuter, die er sich vor den Mund gehalten hatte, aus der Hand fielen. Gleichwohl lenkte er sein Pferd noch näher.
    »Hier!«
    Etwas Silbernes blitzte auf. Matthew fing die Münze ebenso geschickt wie eine Schwalbe Fliegen fängt. Seine Haltung veränderte sich.
    »Danke, Sir!«
    »An der Grube bekommst du noch eine. Und kein Wort – verstanden?«
    Matthew verstand, dass zwei halbe Kronen eine ganze ergaben. Und dass Mr Eaton an der Grube auf ihn warten würde, um sicher zu gehen, dass er seine Aufgabe zu Ende brachte.

    Der Regen setzte ein, kurz nachdem Matthew die Wiese hinter sich gelassen hatte. Heftige Böen durchnässten ihn, während er fluchend auf die Pferde eindrosch. Nur mit Mühe und rutschend kam er den Shotover hoch. Sobald er über die Kuppe war, holte er die Silbermünze heraus, um seine Stimmung zu heben. Eine halbe Krone. Erst dieses Jahr anlässlich der Krönung Charles I. frisch geprägt.
    Sie half Matthew zu vergessen, dass er bis auf die Haut durchnässt war. Eine halbe Krone! Das war mehr, als ein Tagelöhner in einem Monat verdiente. Und an der Grube würde er noch eine bekommen!
    Er war so mit der Münze beschäftigt, dass er die herannahende Kutsche nicht wahrnahm. Der Kutscher peitschte die Pferde, damit sie am Fuß des
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