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Pestmond (German Edition)

Pestmond (German Edition)

Titel: Pestmond (German Edition)
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nicht entgangen, doch er nickte nur.
    »Erzähl mir von ihnen«, verlangte Hamed.
    »Das wäre nicht klug«, antwortete Andrej. »Wenn sie herkommen und ich nicht mehr hier bin, dann werden sie euch wahrscheinlich nichts antun.«
    »Wahrscheinlich«, bestätigte Hamed.
    »Aber wenn sie spüren, dass du ihnen misstraust oder gar glauben, dass du ihnen etwas verschweigst, dann würden sie dich töten. Und wahrscheinlich alle anderen hier auch.«
    Hamed dachte einen Moment lang angestrengt nach und nickte schließlich. »Ich verstehe«, sagte er. »Du meinst also, es wäre besser, wenn ich nicht weiß, wer sie sind und wie sie aussehen, und in Zukunft jedem misstraue, der hierherkommt, auch wenn es nur ein harmloser Reisender ist, der eine Unterkunft für eine Nacht sucht oder nur einen Schluck Wasser und eine Mahlzeit?«
    Andrej seufzte. »Ich glaube, ich bin froh, dass wir uns nicht zwanzig Jahre früher getroffen haben und du nicht mein Feind bist, Hamed. Wenn du mit dem Schwert so gut umgehen konntest wie mit Worten, musst du ein gefährlicher Mann gewesen sein.«
    Hamed sah ihn durchdringend an. Das Lächeln in seinen Augen war etwas gewichen, das Andrej einen kalten Schauer über den Rücken jagte. »Und wer sagt dir, dass ich das nicht immer noch bin?«, fragte er.
    Andrej wollte ihn schon darauf hinweisen, dass er dem Grab schon deutlich näher war als der Wiege, doch als er seinen Blick sah, erschrak er. Und als er behutsam in ihn hineinlauschte, fand er eine Menge, das er nicht verstand, und noch sehr viel mehr, das ihn verwirrte … aber Hamed war ganz zweifellos ein Sterblicher, kein Wesen wie Abu Dun und er.
    Wie Abu Dun es gewesen war, dachte Andrej bitter.
    »Andrej?« Als er die Unruhe in Hameds Stimme hörte, begriff er, dass er schon eine ganze Weile reglos dagesessen und den alten Mann angestarrt hatte. »Nichts«, murmelte er hastig. »Ich musste nur … entschuldige!«
    »Meine Worte haben eine Erinnerung geweckt, die nicht geweckt werden sollte«, sagte Hamed. »Verzeih!«
    »Nein«, entgegnete Andrej viel zu hastig. »Man kann nicht vor der Erinnerung davonlaufen.«
    »Aber vielleicht ist es manchmal besser, sie ruhen zu lassen«, beharrte Hamed, »wenigstens für eine Weile, bis ihre Berührung nicht mehr ganz so wehtut. Auch der Schmied lässt den Stahl abkühlen, bevor er ein neues Schwert schärft.«
    »Ich nehme alles zurück«, sagte Andrej ernst. »Du kannst ganz eindeutig besser mit Worten umgehen als jeder andere mit dem Schwert.«
    »Das mag daran liegen, dass kein Schwert so scharf sein kann wie Worte, und keine Klinge so tiefe Wunden schlagen«, antwortete Hamed. Falsche Bescheidenheit gehörte nicht zu seinen Fehlern. »Und du kannst nicht gehen. Ein Sandsturm kommt.«
    »Und das weißt du sicher?«
    »Noch heute Nacht oder spätestens bei Tagesanbruch«, bestätigte Hamed. »Hast du schon einmal einen Khamsin erlebt, Andrej?« Andrej machte eine vage Geste, und Hamed fuhr fort: »Dann weißt du, dass es vielleicht nicht dein sicherer Tod wäre, jetzt hinauszugehen, aber doch sehr gefährlich. Du willst doch nicht, dass meine Hilfe umsonst gewesen ist … und dass Ayla sich ganz vergebens die Mühe gemacht hat, extra für dich dieses gute Brot zu backen?«
    Andrej musste gegen seinen Willen schmunzeln. »Ein halber Tag mehr wird vielleicht keinen Unterschied machen«, antwortete er schließlich. Außer für ihn. Ein Tag ohne Flucht. Ein Tag, ohne zu kämpfen und Schmerz zu erleiden oder anderen zuzufügen … wann hatte er diesen Luxus das letzte Mal genossen? »Und wenn dieser Khamsin wirklich so schlimm wird, wie du sagst, dann kommt wohl auch kein anderer hierher.«
    »Dann ist es entschieden«, meinte Hamed zufrieden. »Du bleibst noch eine Weile hier. Gut.«
    Das ließ Andrej aufmerken. »Wieso?«
    »Du hast selbst darauf bestanden, für Unterkunft und Essen zu bezahlen«, erwiderte Hamed und feixte. »Wie es aussieht, schuldest du mir eine Menge Geschichten.«
    »Für Brot und Suppe?« Andrej dachte einen Moment lang nach. »Allerhöchstens eine. Und auch nur eine sehr kurze.«
    »Wasser und Mehl sind teuer in dieser Gegend«, sagte Hamed. »Vor allem, wenn man der Einzige ist, der es besitzt.«
    »Verbietet der Prophet nicht ganz ausdrücklich den Wucher?«, wollte Andrej wissen, woraufhin Hamed heftig nickte.
    »Das ist wahr. Aber große Nachfrage steigert bekanntlich auch den Preis, und ein alter Mann wie ich muss sehen, wo er bleibt.«
    »Du bist kein Araber«, stellte
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