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Pesch, Helmut W.

Pesch, Helmut W.

Titel: Pesch, Helmut W.
Autoren: Die Kinder der Nibelungen
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Das glaube ich nicht«, sagte Hagen.
    »Sind sie auch nicht«, entgegnete Gunhild. »Aber wir haben eine Abmachung, und an Abmachungen muss man sich halten. Doch auf die Minute genau nehmen sie’s auch nicht. So schnell machen sie sich keine Sorgen.«
    »Was ist das für eine Abmachung?«, erkundigte sich Hagen.
    »Na ja, sie lassen uns machen, was wir wollen, wenn wir ungefähr zum angegebenen Zeitpunkt zu Hause sind. So haben wir beide viele Freiheiten, die unsere Klassenkameraden nicht haben. Kommen wir zu oft zu spät, gibt es … Einschränkungen«, erklärte Siggi.
    »Aha«, entfuhr es Hagen. »Dann sollten wir uns beeilen, damit ihr keine Probleme kriegt.«
    »Richtig«, stimmte Gunhild zu. »Noch anderthalb Jahre, und ich darf in die Disco. Da ist wichtig, solche Freiheiten zu haben.«
    Seit Hagen den Ring wieder in die Tasche hatte verschwinden lassen, war al es wieder wie vorher. Nichts deutete darauf hin, dass die Kinder kurz davor gewesen waren, mit Fäusten aufeinander loszu-gehen. Auch Siggi, Gunhild und Hagen verschwendeten keinen Gedanken daran, und die Erinnerung an die bedrohlichen Sekunden schwand schneller als ein Berg Eiscreme auf einem Geburtstag.
    »Gehst du noch nicht zum Tanzen?«, fragte Hagen.
    »Doch schon, aber nur ins ›Zentrum‹«, womit Gunhild das örtliche Jugendzentrum meinte. »Da gibt es alle vier Wochen einen Tanzabend. Die Disco hier in Odenhausen ist nur was für Grufties ab dreißig, und um in eine richtige Disco zu kommen, muss ich bis in die Kreisstadt.«
    »Und du solltest deinen Mofa-Führerschein im Auge haben«, sagte Siggi. »Dann kannst du dahin fahren.«
    »Richtig«, bestätigte Gunhild. »Das alles gehört zu der Abmachung. Zeigen wir Verantwortung, gibt es Freiheiten.«
    »Tolle Eltern habt ihr«, entfuhr es Hagen, und es klang ein bisschen eifersüchtig.
    »Wie man’s nimmt«, sagte Gunhild, säuerlich lächelnd. »Verantwortung ist anstrengend. Manchmal wünschte ich mir, wir würden bestraft wie andere Kinder auch. Das wäre einfacher, aber Vater lässt da nicht mit sich handeln. Und was ist mit deinem Vater?«
    Hagens Gesicht verdüsterte sich. »Mein Vater ist nur selten da«, sagte er. »Ich sehe ihn nicht sehr oft. Und meine Tante ist … okay.«
    Er hatte ihnen schon gestern erzählt, dass er bei einer Tante lebte, seit seine Mutter gestorben war; seine Mutter war eine Deutsche gewesen, hier aus der Gegend von Odenhausen – was der Grund war, weshalb er so fantastisch Deutsch konnte.
    Gunhild, die verstehen konnte, was in ihm vorging, sah ihn mitleidig an.
    »Jetzt kommt«, drängte Siggi. »Wir können auch auf dem Weg zu den Rädern noch quatschen!«
    Das war das Kommando. Sie gingen los. Die Stimmung war unbeschwert, als sie den Brunnen verließen, und keiner schien noch an das Erlebte zu denken. Sie scherzten und lachten, als sie den farnbedeckten Hang wieder hinaufstiegen, den sie heruntergeklettert waren.
    Die Luft hing wie Blei über dem Land. Ein fernes Grollen kündigte das Gewitter an, das an diesem Abend die Atmosphäre von der drückenden Schwüle reinigen würde, welche sich nun auch verstärkt im Wald bemerkbar machte.
    »Das wird noch dauern, bis das Unwetter hier ist. Bis dahin ho-cken wir längst in der warmen Stube, wie Opa Hans immer sagt«, meinte Gunhild.
    »Trotzdem sollten wir uns was beeilen«, meinte Siggi.
    »Keine Panik«, sagte Gunhild. »Das Gewitter ist noch weit.«
    Sie erreichten schließlich den Aufstieg zum Rastplatz, wo sie ihre Räder zurückgelassen hatten. Die drei wussten, das letzte Stück würde anstrengend werden, aber nach einer kurzen Verschnaufpause und dem letzten Schluck aus der Feldflasche ging es mit frischen Kräften den Hang hoch.
    Das Donnergrollen rückte langsam näher. Die Sonne war von einer fahlen Helle und schien alle Kraft verloren zu haben, während die Luft aufgeladen zu sein schien, dass man fast schon ein Knistern zu spüren glaubte.
    »Das Gewitter kommt aber schneller, als du glaubst«, maulte Siggi.
    »Es wird uns schon nicht einholen«, versuchte Gunhild ihn zu beruhigen. »Sind wir erst mal bei den Rädern, ist der Rest ein Kin-derspiel.«
    »Aber wie ist das mit der Abfahrt?«, fragte Hagen vorsichtig an.
    »Die Abfahrt ist nicht mehr steil«, antwortete Siggi, froh, dass Hagen es vermied, allzu offen auf seine Schwäche hinzuweisen. »Und dann sind wir bald auf der Straße.«
    »Richtig«, stellte Gunhild fest. »Und darum kommen wir noch vor Blitz, Donner und Regen nach Hause. Also,
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