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Personenschaden

Personenschaden

Titel: Personenschaden
Autoren: P Probst
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steckte gerade an einem Waschbecken die Bürste zusammen, als er seinen Namen hörte. »Der Abholer Anton Schwarz bitte zum Meeting Point in Terminal 2.«
    Er verließ die Toilette so hektisch, dass er beinahe über einen Kofferkuli stürzte. Toll, dachte er, alles wäre perfekt gewesen: Die Glastüren hätten sich geöffnet, ich hätte gewunken, sie hätte mich entdeckt und wäre mir strahlend entgegengerollt – stattdessen muss sie mich ausrufen lassen. Ich bin doch ein Depp.
    Als Eva ihn heransprinten sah, lachte sie. »Du hast wohl heimlich trainiert?«
    Schwarz war zu sehr außer Atem, um antworten zu können. Da sah er die weiße, langstielige Rose in ihrer Hand und realisierte, dass er
seine
Rose, die Pralinen und die neue Zahnbürste hatte liegen lassen. Er machte auf dem Absatz kehrt.
    »Wohin willst du?«, rief Eva.
    Er bremste ab. Sie hatte recht. Er hatte es verbockt, das war nicht mehr zu ändern. Er näherte sich ihr mit hängenden Schultern. »Herzlich willkommen daheim, Eva.«
    Er beugte sich zu ihr hinunter und hielt ihr die Hand hin. Aber sie riss ihn in ihre Arme und küsste ihn. »Manchmal spinnst du ganz schön, Anton.«
    »Stimmt.«
    Dann küssten sie sich noch einmal. Und auf einmal war alles gut.
     
    Auf dem Weg zur S-Bahn überquerten sie den Platz, auf dem bis einige Monate zuvor auf hohen Betonstützen ein rotschwarzer Transrapid für die schnelle Verbindung zum Münchner Hauptbahnhof geworben hatte. Inzwischen war das ehrgeizige Projekt der Bayerischen Staatsregierung und der Bahn begraben und das fünfzig Tonnen schwere Fahrzeug für einen symbolischen Euro an eine Firma in der Oberpfalz verkauft.
    Die Rückkehr nach Pasing dauerte, ohne dass jemand die Verspätung erklärte, fünfzehn Minuten länger als die Hinfahrt, aber Schwarz genoss jede Sekunde mit Eva. Sie nahm seine Hand. »Stell dir vor, ich wäre fast zum Christentum konvertiert.«
    »Wie bitte?«
    »Ein junger Priester in der Klinik hat mir eine Wunderheilung in Aussicht gestellt. Er wollte mit mir nach Lourdes fahren.«
    »Dann war er in dich verliebt.«
    »Meinst du?« Sie grinste.
    Schwarz erkundigte sich vorsichtig nach dem Ergebnis der medizinischen Untersuchungen. Eva wurde ernst. »Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht.«
    Schwarz sah sie gespannt an.
    »Die Operation ist möglich, aber das Risiko ziemlich hoch.«
    »Dann lass dir bloß Zeit mit der Entscheidung«, sagte Schwarz. »Ich kenne einen, der trägt dich auch die steilsten Treppen hoch.« Eva lächelte und lehnte sich an seine Schulter.
     
    ENDE

Zitiert wurde aus:
    Je länger ein Blinder lebt, desto mehr sieht er. Jiddische Sprichwörter. Übersetzt von H.   C.   Artmann, Insel Verlag 1965.
     
    Manfred Schell: Die Lok zieht die Bahn. Autobiographie, Rotbuch Verlag 2009.

Ich möchte danken:
    Günter Dombrowa
    Detlef Esslinger
    Chaim Frank
    Marion Krüsmann
    Ellen Presser
    Rachel Salamander
    Manfred Schell
    Sabine Thiele

Informationen zum Buch
    »Der Mann kam aus dem Dunkeln. Er trat mit erhobenen Armen von rechts aufs Gleis. Klaus Engler hatte noch die Geistesgegenwart, die Schnellbremsung einzuleiten, und gab ununterbrochen Warnsignale. Die Lichter auf den Armaturen vor ihm spielten verrückt. Dann verlangsamte sich die Zeit. Der Mann war jetzt ganz nah und sah ihn an. Sein Gesicht war jung und weich, sein Blick flehend. Niemand kann aus seinem Gleis, schoss es Engler durch den Kopf.« – Seit Lokführer Klaus Engler einen jungen Mann überfahren hat, wird er von schweren Schuldgefühlen geplagt. Doch damit nicht genug, fühlt er sich schon seit geraumer Zeit von Unbekannten verfolgt und bedroht. Privatermittler Anton Schwarz wird von Engler beauftragt, diese Unbekannten zu finden. Kurz darauf springt ein weiterer Selbstmörder vor Englers Zug. Zufall?

Informationen zum Autor
    Peter Probst,
1957 in München geboren, studierte Germanistik, Italienische Literatur und Katholische Theologie in seiner Heimatstadt und in Rom. Er war Regieassistent, Regisseur und Dozent an Filmakademien und schrieb seit 1982 etwa neunzig Drehbücher, vor allem für Fernsehspiele und Krimis wie den ›Tatort‹. Mit seiner Frau Amelie Fried hat er die Kinderkrimireihe ›Taco und Kaninchen‹ verfasst und an ihrem Bestseller ›Schuhhaus Pallas   – Wie meine Familie sich gegen die Nazis wehrte‹ mitgearbeitet. Peter Probst lebt mit seiner Familie im Süden von München.
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