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Personenschaden

Personenschaden

Titel: Personenschaden
Autoren: P Probst
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Warnung!«
    Schwarz wusste, dass Kolbinger niemals schießen würde. Sein Ex-Kollege war ein ziemlich schwacher Schütze. Wegen eines Täters, dem vielleicht nicht einmal ein Kapitalverbrechen nachzuweisen war, ging er bestimmt nicht das Risiko ein, unbeteiligte Passanten zu verletzen. Schwarz konnte es also wagen, Kolbingers Schusslinie zu kreuzen und Grenzebach nachzusetzen.
    »Anton! Bist du wahnsinnig?«, schrie Kolbinger.
    Schwarz kümmerte sich nicht um ihn und versuchte, Grenzebach den Weg zu den Gleisen abzuschneiden.
    »Anton, bleib weg von ihm!«
    Grenzebach war trotz seiner Behinderung erstaunlich schnell, und Schwarz kam kaum hinterher. Ich will das nicht noch mal sehen, schoss es ihm durch den Kopf. Bitte nicht. Nicht wieder dieser Alptraum.
    Grenzebach zwängte sich zwischen Büschen hindurch, hetzte den an dieser Stelle nicht sehr hohen Bahndamm hinunter, überquerte das erste Gleis und stellte sich am zweiten breitbeinig in den Schotter. Er schaute nach Süden und breitete langsam die Arme aus.
    Am Bahndamm angelangt, erkannte Schwarz sofort, dass es nicht die Lichter einer S-Bahn waren. Das ist ein Zug, der nicht in Otterfing hält, dachte er. Vielleicht ein ›Integral‹ der ›Bayerischen Oberlandbahn‹. Der fährt viel schneller. Da bleibt von Grenzebach nichts übrig.
    Er war jetzt auch im Schotter angelangt. Sein Blick ging wieder zu dem Zug, dessen helle Lok aus der Dunkelheit wuchs und eine Windwalze vor sich herschob. Das Summen wurde immer lauter.
    Schwarz zögerte. Plötzlich hatte er Tim Burger vor Augen, der schräg über das breite Gleisgelände vor der Friedenheimer Brücke rannte, stolperte, sich fing und weiter stur auf die Lok zuhielt. Es waren nur noch wenige Meter. Der Aufprall war unvermeidlich.

52.
    Hinterher konnte er es sich selbst nicht erklären, wie er es geschafft hatte. Sein Auftritt als Lebensretter war bestimmt alles andere als filmreif gewesen. Irgendwie hatte er einen Zipfel von Grenzebachs Parka zu fassen gekriegt und mit aller Kraft daran gezerrt. Sie waren beide gestürzt. Als der Zug an ihnen vorbeidonnerte, war Schwarz’ Wahrnehmung merkwürdigerweise darauf fokussiert gewesen, dass er auf Grenzebachs Prothese lag. So war ihm gar nicht richtig bewusst geworden, wie knapp er mit dem Leben davongekommen war.
     
    Inzwischen hatten Sicherheitsleute der Bahn das Gleisbett untersucht und freigegeben. Achim Grenzebach war einer ergebnislosen Leibesvisitation unterzogen worden und saß jetzt im Notarztwagen, der ihn in die nächste psychiatrische Klinik bringen sollte.
    »Meinst du, dass Fluchtgefahr besteht?«, fragte Kolbinger.
    Schwarz schüttelte den Kopf. »Ich glaube eher, dass er es noch mal versuchen wird.«
    »Ich begleite ihn und rede mit den Ärzten.« Er schaute ungeduldig auf die Uhr. »Wo bleiben die Kollegen denn?«
    »Ihr könnt ruhig schon fahren, Kolbinger. Für den Lokführer übernehme ich die Verantwortung.«
    »Bist du wirklich fit, Anton?«
    »Du weißt doch, dass ich immer erst zu Hause im Bett zu zittern anfange.«
    Der Polizist, der Grenzebachs Wagen inspiziert hatte, streifte sich die Handschuhe ab und kam langsam näher. Er war auffallend bleich. »Ich habe da was gefunden. Also, wenn das Nitroglycerin ist, kriege ich einen Vogel. Ich bin die ganze Zeit in der Karre rumgeklettert.«
    Kolbinger ließ sich seinen Schreck nicht anmerken. »Ich informiere die Kollegen vom Sprengstoff.«
     
    Schwarz setzte sich neben Klaus Engler auf den Bordstein. Sie schauten zu, wie der Notarztwagen und das Polizeifahrzeug den Parkplatz verließen. Kolbinger grüßte noch einmal mit der Sirene, dann zogen sich auch die letzten Schaulustigen zurück und der Bahnhof lag wieder still da.
    »Ich hätte ihm gern die ganze Geschichte erzählt«, sagte der Lokführer unvermittelt.
    Schwarz schaute ihn fragend an.
    »Damals hat an der S-Bahn eine Tür nicht funktioniert und das Warnsystem auch nicht. Ich habe es sofort nach dem Unfall gemeldet, aber man hat mir erklärt, das sei technisch gar nicht möglich. In den darauffolgenden Wochen habe ich jedoch mitbekommen, dass alle Züge überprüft wurden. Ich habe nachgefragt, was das zu bedeuten hat. Es hieß aber nur lapidar, dass die Wartungsarbeiten nichts mit meinem Unfall zu tun hätten.«
    »Haben Sie das geglaubt?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe mit meinem Vater geredet. Er hat gesagt, ich soll richtig auf den Busch klopfen und notfalls an die Öffentlichkeit gehen. Das ist an sich nicht meine Art, aber
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