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Personenschaden

Personenschaden

Titel: Personenschaden
Autoren: P Probst
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Sommerurlaub verstopften die Straße. Zwischen einem Wohnmobil aus Nimwegen und einem Porsche Cayenne aus Salzburg fiel der schwarze Fiat Punto mit Tölzer Kennzeichen kaum auf.
    Klaus Engler saß schweigend und in sich zusammengesunken auf dem Beifahrersitz. Hin und wieder schaute er verstohlen zu Achim Grenzebach, der mit fiebrigem Blick hinter dem Steuer saß: Sein Gesicht war aufgedunsen, er hatte sich länger nicht mehr rasiert. Wenn Bewegung in die Schlange kam, gab er wütend Gas, um gleich wieder auf die Bremse zu steigen, weil an dem Wohnmobil vor ihm die Rücklichter rot aufleuchteten. Er machte alles mit dem linken Bein. Sein Auto hatte eine gewöhnliche Automatikschaltung und war anders, als es Schwarz bei der Zulassungsstelle erklärt worden war, nicht auf Handbetrieb umgerüstet. Nur die Position der Pedale schien leicht korrigiert worden zu sein.
    »Ein feiger, kleiner Pisser bist du«, sagte Grenzebach plötzlich.
    »Wieso?«
    »Du hättest abhauen können. Du hast die Chance gehabt vor der Klinik.«
    Klaus Engler hob die Schultern.
    »Aber du hattest Panik, dass dir mein Fläschchen um die Ohren fliegt.« Er berührte mit den Fingerspitzen ein verschlossenes Glasgefäß, das im Getränkehalter stand. Es war mit einer öligen, leicht gelblichen Flüssigkeit gefüllt.
    »Ich habe keine Panik.«
    »Komm, sonst hättest du dich doch gewehrt.«
    »Ich will die Sache endlich klären.«
    »Klären?« Grenzebach lachte schrill.
    »Und so weit es möglich ist, wiedergutmachen.«
    »Ah, du kannst mir mein Bein zurückgeben und zehn beschissene Jahre ungeschehen machen?«
    Er zog einen Reflexhammer, wie ihn Orthopäden verwenden, aus der Tasche seines Parkas und deutete einen Schlag auf den Flacon an. »Ich habe dich durchschaut, Engler. Du willst mich provozieren, damit es schnell vorbei ist und nicht wehtut. Aber so leicht kommst du nicht davon.«
    Grenzebach blickte nervös in den Rückspiegel. Hinter ihnen war eine Sirene zu hören. Sie wurde langsam lauter. Die anderen Fahrzeuge begannen zu rangieren, um eine Durchfahrt frei zu machen. Auch er lenkte den Fiat nach links. Ein Polizeiwagen näherte sich mit roten Blinklichtern. Grenzebach hielt den Atem an und umklammerte das Lenkrad mit beiden Händen. Der Wagen fuhr vorbei und die Gasse schloss sich wieder.
    »Sie fahnden sicher schon nach uns«, sagte Grenzebach, »aber sie werden zu spät kommen.«
    »Wohin fahren wir denn?«
    »Hast du das noch nicht begriffen?«
    Engler schaute ihn fragend an.
     
    Nach zehn Minuten im Schritttempo konnten sie endlich die Unfallstelle passieren. Neben einem auf dem Dach liegenden Cabrio stand rauchend ein junger Mann, ein zweiter wurde von Polizisten befragt. Jetzt traf auch ein Notarztwagen ein, aber offenbar war niemand ernsthaft verletzt.
    »Haben ein Scheißglück gehabt, die Schwachköpfe«, sagte Grenzebach.
    »Im Gegensatz zu dir.«
    Grenzebach riss den Kopf herum und starrte ihn hasserfüllt an. »Was sagst du da, Arschloch?«
    Engler schwieg und fragte sich, wieso er Grenzebach nicht einfach packte und der Sache ein Ende machte. Er war ihm körperlich überlegen und könnte ihn sicher außer Gefecht setzen, bevor er die Sprengladung zündete – wenn es überhaupt eine war. Er, Engler, befand sich schließlich in einer Notsituation und hatte jedes Recht, sich zu wehren.
    Aber er schaffte es nicht. Ihm fehlte die Energie.
    In der Klinik hatten sie ihm stimmungsaufhellende Medikamente verschrieben, aber das erklärte seine Kraftlosigkeit nicht. Hatten die Ärzte ihn ohne sein Wissen sediert, damit er endlich aufhörte, sich selbst zu verletzen? Oder lähmte ihn die Schuld, die seit fast zehn Jahren auf ihm lastete?
    »Es geht nicht um Glück oder Unglück«, sagte Grenzebach wieder etwas ruhiger.
    »Sondern um Schuld.«
    »Ah, das ist dir dann doch bewusst.«
    »Ja, aber es ist eine andere Schuld, als du denkst.«
    Grenzebach sah ihn fragend an.

50.
    Anton Schwarz fuhr auf den Parkplatz am Bahnhof Otterfing. Die S-Bahn aus München hatte hier vor Kurzem Halt gemacht und war Richtung Holzkirchen weiter gefahren. Die Fahrgäste gingen zügig zu ihren Autos, Kinder und Jugendliche wurden von ihren Eltern abgeholt, zwei ältere Damen stiegen in ein Taxi. Alle hatten es eilig, nach Hause zu kommen. Nach wenigen Minuten war der Bahnhof fast menschenleer.Nur auf der gegenüberliegenden Plattform warteten drei junge Männer und eine Frau.
    Schwarz nahm die Fußgängerunterführung und sprach sie an. »Entschuldigung,
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