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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
Autoren: Gerhard Roth
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frühkindlicher psychischer Traumatisierung (z. B. bei Überlebenden des Holocaust) der Fall.

Intelligenz und Kreativität
     
    Ein Merkmal, das gewöhnlich – aber zu Unrecht – von Psychologen nicht zur Persönlichkeit gerechnet wird, ist Intelligenz . Dass Psychologen dies bisher nicht getan haben, hat historische und disziplinäre Gründe: Es gibt in der Psychologie eine Intelligenzforschung, und diese wurde meist getrennt von der Persönlichkeitsforschung behandelt. Der letztgenannte Faktor der »big five«, nämlich Offenheit , richtet sich aber direkt auf die Intelligenz, Kreativität und Neugierde eines Menschen.
    Über den Begriff der Intelligenz und der Brauchbarkeit von Intelligenztests ist sehr viel geschrieben und gestritten worden, und beides hat im allgemeinen akademischen Bewusstsein keinen besonders guten Ruf. Dieser Umstand ist aber völlig unbegründet, denn (wie zum Beispiel Jens Asendorpf feststellt) ist in der Persönlichkeitspsychologie nichts so gut untersucht wie das Merkmal »Intelligenz« und mindestens so genau zu messen wie seine individuelle Persönlichkeitsausprägung. Ich möchte hier nicht die ganze Debatte wiederholen, sondern mich auf wenige in Fachkreisen inzwischen allgemein akzeptierte Aussagen beschränken (vgl. das soeben, 2007, erschienene Buch von Neubauer und Stern sowie das Lehrbuch von Asendorpf, 2004).
    Die erste Aussage betrifft die auf Spearman zurückgehende Unterscheidung zwischen allgemeiner und bereichsspezifischer (oder nach Cattell »fluider« und »kristalliner«) Intelligenz. Diese Unterscheidung ist, wie wir noch hören werden, auch neurobiologisch sinnvoll: Die allgemeine oder fluide Intelligenz korrespondiert mit der allgemeinen Schnelligkeit und Effektivität der »Informationsverarbeitung« im Gehirn, die bereichsspezifische oder kristalline Intelligenz mit dem Wissen in den ganz unterschiedlichen Bereichen und seiner Verfügbarkeit. Klar ist: Jemand muss schnell denken und Probleme schnell identifizieren können (das ist die allgemeine oder fluide Intelligenz), aber er muss, um mit den Problemen fertig werden zu können, auch einfach ein bestimmtes Expertenwissen haben. Letzteres – so die bekannte Psychologin Elsbeth Stern – kann Ersteres sogar in beträchtlichem Maße ausgleichen, wobei anzumerken ist, dass eine hohe allgemeine Intelligenz den Wissenserwerb sehr erleichtert! Ein intelligenter Mensch ist jemand, der schnell sieht, was Sache ist, und dem ebenso schnell einfällt, was jetzt zu tun ist – und dabei meist Erfolg hat!
    Die heutigen gängigen Intelligenztests prüfen sowohl die allgemeine Intelligenz als auch bereichsspezifische Begabungen, und zwar vornehmlich in Hinblick auf verbale und nichtverbale Fähigkeiten (Operationen mit Zahlen bzw. Rechnen, Wortschatz, Bilderordnen und -ergänzen, Gemeinsamkeiten finden, Figurenlegen usw.). Daraus ergeben sich Erkenntnisse über bestimmte individuelle Begabungen, die für die Berufswahl genutzt werden können. Dies entspricht auch der Alltagserfahrung: Der eine kann gut reden und schreiben, hat aber Probleme mit der räumlichen Orientierung oder dem Rechnen usw., beim anderen ist es genau umgekehrt. Manche sind in beidem gut und andere in beidem schlecht!
    Die üblichen Angaben eines »Intelligenz-Quotienten« (IQ) beziehen sich auf einen Durchschnitt solcher unterschiedlicher Begabungen bei einer Person, wobei der IQ auf eine altersabhängige Durchschnittsintelligenz normiert ist. Dies bedeutet, dass es für bestimmte Altersstufen eine durchschnittliche Intelligenz gibt, die per definitionem bei »100« liegt. IQs über 100 zeigen dann eine überdurchschnittliche, unter 100 eine unterdurchschnittliche Intelligenz an. Die Intelligenz einer Altersstufe ist immer normalverteilt ; dies bedeutet statistisch, dass knapp 70 Prozent aller Menschen einen IQ relativ eng um den Mittelwert aufweisen, genauer innerhalb des Intervalls zwischen 85 und 115 IQ. Menschen mit einem IQ unter 85 machen einen deutlich »minderbemittelten« Eindruck, und solche mit einem IQ über 115 einen deutlich intelligenten Eindruck. Hochbegabte haben in der Regel einen IQ von 130 oder mehr und umfassen ca. 2 % ihrer Altersgruppe. Man wird gelegentlich mit Aussagen wie »unsere Tochter hat einen IQ von 180« oder »ich kenne jemanden mit einem IQ von 220« konfrontiert. Man sollte dies unkommentiert lassen, denn unterhalb eines IQ von 50 und oberhalb eines IQ von 150 sind Intelligenzaussagen nicht mehr sinnvoll, weil nicht
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