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Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten

Titel: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten
Autoren: Gerhard Roth
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mehr statistisch verlässlich bestimmbar.
    Zwei interessante Fragen ergeben sich im Zusammenhang mit dem Persönlichkeitsmerkmal »Intelligenz«: In welchem Maße ist Intelligenz ein stabiles Merkmal, und in welchem Maße ist Intelligenz angeboren oder erworben? Die erstere Frage lautet in anderer Formulierung, in welchem Maße man aus den Ergebnissen eines gerade durchgeführten Intelligenztests die Resultate eines Tests in einem Abstand von einem Jahr, von zehn, zwanzig usw. Jahren vorhersagen kann. Bei entsprechenden Untersuchungen stellt sich heraus, dass sich bei einem Individuum die Intelligenz mit zunehmendem Alter stabilisiert und deshalb immer besser voraussagbar wird (vgl. Amelang und Bartussek, 1997). Das kann man über den so genannten Korrelationskoeffizienten ausdrücken, der angibt, in welchem Maße unterschiedliche Größen miteinander übereinstimmen. Ein Korrelationskoeffizient von 1 zeigt eine vollkommene Übereinstimmung an, ein Wert von 0 eine völlige Unabhängigkeit, und ein Wert von minus 1 eine so genannte »Anti-Korrelation«, d. h. zwei Merkmale verhalten sich entgegengesetzt.
    Der Korrelationskoeffizient zwischen der Intelligenz im vierten und im vierzehnten Lebensjahr beträgt 0,65 und ist damit schon überraschend hoch; die Korrelation zwischen der Intelligenz im vierzehnten und im neunundzwanzigsten Lebensjahr beträgt trotz des viel längeren Zeitraums 0,85, ist also sehr hoch und zeigt an, dass sich die Intelligenz bereits mit vierzehn Jahren sehr stabilisiert hat. Nach Aussage einiger Autoren korreliert die Intelligenz im Alter von sechs Jahren mit derjenigen im Alter von vierzig Jahren mit einem Koeffizienten von 0,6 bis 0,8 (vgl. Asendorpf, 2004; Neubauer und Stern, 2007). Dies ist ein erstaunlich hoher Wert und bedeutet, dass man aufgrund der Kenntnis der Intelligenz einer sechsjährigen Person deren Intelligenz im Alter von vierzig Jahren mit guter Annäherung vorhersagen kann.
    Die zweite Frage, die nach den genetischen Anteilen von Intelligenz, ist schon schwieriger zu beantworten. Die Persönlichkeitspsychologie hat sich in diesem Zusammenhang seit längerem ein Experiment der Natur zu Nutze gemacht, und zwar in Form von Untersuchungen an eineiigen Zwillingen, die kurz nach der Geburt getrennt wurden und in verschiedenen Familien bzw. Umwelten aufwuchsen. Eineiige Zwillinge haben dieselben Gene, und die Grundidee ist, dass man über den Grad der Übereinstimmung und der Unterschiede zwischen ihnen das Ausmaß der genetischen Determiniertheit bzw. der Umweltabhängigkeit etwa der Intelligenz, bestimmter Begabungen oder der genannten Persönlichkeitsmerkmale abschätzen kann. Man vergleicht dann diese Daten mit Forschungsergebnissen an zweieiigen Zwillingen, die genetisch gesehen Geschwister sind, bzw. an »normalen«, d. h. zu unterschiedlichen Zeiten geborenen Geschwistern sowie an adoptierten, genetisch also mit den Eltern nicht verwandten Kindern. Wenn sich eineiige Zwillinge, die von früher Kindheit an in unterschiedlichen familiären Umwelten aufwuchsen, später in ihrer Persönlichkeitsstruktur, ihrer Begabung und Intelligenz stark unterscheiden und stattdessen ihren jeweiligen Adoptiveltern ähneln, dann bedeutet dies ein großes Gewicht der Umwelt- und Erziehungseinflüsse und ein nur geringes Gewicht der genetischen Faktoren. Dagegen zeigt eine hohe Übereinstimmung in der Persönlichkeitsstruktur zwischen eineiigen Zwillingen, die in unterschiedlichen Milieus aufwuchsen, die »Macht der Gene« gegenüber den Einflüssen des Milieus.
    Bei derartigen Untersuchungen kam heraus, dass einige Persönlichkeitsmerkmale sehr stark genetisch bedingt sind, andere jedoch schwächer und manche sehr schwach. Zu den ersteren Merkmalen gehört – für viele sicherlich erstaunlich – die Intelligenz . Die meisten Zwillingsuntersuchungen ergaben nämlich, dass eineiige Zwillinge – gleichgültig, wie unterschiedlich die Bedingungen waren, unter denen sie aufwuchsen – sich in ihrer Intelligenz stark ähneln; bei ihnen ergab sich ein Korrelationskoeffizient zwischen 0,67 und 0,78. Diese Werte mag man als gering ansehen, aber dabei muss man berücksichtigen, dass auch bei gemeinsam aufgewachsenen eineiigen Zwillingen der Korrelationskoeffizient keineswegs 1 ist, sondern nur 0,86. Selbst wenn man bei ein und derselben Person mehrfach den IQ misst, kommt man meist nicht über einen Wert von 0,9. Insgesamt bedeutet dies, dass Intelligenz hochgradig , wenngleich nicht vollkommen,
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