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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)
Autoren: Heike Koschyk
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Kleid, das die Mutter getragen, als sie vom Wagen ins Wasser des Burggrabens gestürzt war, und das sie auch dann nicht abgelegt hatte, als der Priester sich anschickte, die Dämonen aus ihrem Körper zu prügeln. An manchen Stellen war es gerissen und stümperhaft vernäht, doch es passte, als wäre es für eben diesen Augenblick gemacht. In diesem Kleid und mit dem Dolch am Leibe wollte Elysa ihrem Bruder gegenübertreten und ihn jene Dinge erklären lassen, die zu erklären er versprochen hatte.
    Mit festem Schritt stieg sie die Treppe empor zum oberenStockwerk, in dem der Wohnsaal lag. Elysa erinnerte sich an die üppig gedeckten Tafeln und die großen Feiern, bei denen gelegentlich auch ihr Onkel Bernhard aus Mainz zugegen gewesen war und sie ihn so ausgelassen erlebt hatte wie später nie wieder.
    Eine eigentümliche Stimmung lag über dem Saal, als sie ihn betrat. Auch dieser Raum war kleiner, als sie ihn in Erinnerung hatte.
    Magnus hingegen hatte ihn einem Festsaal gleich werden lassen. Auf einer großen Tafel, von dreiarmigen Leuchtern erhellt, standen vielfältige Speisen, Käse, Brot, Dörrobst, Wurst und Speck. Ein großer Krug, silberne Teller und Becher, drei an der Zahl, als erwarte er einen weiteren Gast.
    »Setz dich«, sagte Magnus schroff, als er sie bemerkte. Doch dann wich der gestrenge Ausdruck seiner Augen einem ergriffenen Glanz. Er stand auf und streckte die Hand nach ihr aus. Mit leiser Stimme fügte er hinzu: »Wahrhaftig, du siehst bezaubernd aus, deine Wangen von Anmut und Schönheit erfüllt. Du gleichst Mutter, dasselbe Kleid, das Haar …«
    Elysa ergriff seine Hand nur zögernd. »Erwartest du noch einen Gast?«
    »Die Neugier ist ein übles Laster«, antwortete er brüsk. »Doch nun setz dich, wir wollen jener Zeiten gedenken, die uns zusammenhielten.«
    Damit goss er rosigen Wein in die Becher und trank seinen leer, noch bevor er sich an die Stirnseite des großen Holztisches gesetzt hatte.
    »Du siehst mich im Kleid unserer Mutter, der du die Absolution verwehren wolltest«, begann Elysa ungewollt scharf.
    »Mutter, ja …« Magnus’ Blick glitt zu einer der Kerzen, deren Qualm in feinen Schlieren zur rußigen Decke stieg. »Du besitzt die verklärte Erinnerung eines Kindes.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Mutter war eine Hure.« Er sagte es beinahe gelangweilt und sah sie dabei herausfordernd an.
    Elysa starrte zurück, entsetzt.
    »Du hast es nicht sehen wollen, doch, ja, sie beging Ehebruch. Vereinigte sich in geschlechtlicher Lust mit einem heiligen Mann Gottes.«
    »Einem Priester? Nein, das kann nicht sein, Magnus, du musst dich irren. Nie war ein Priester je zu Gast auf der Burg. Woher hätte sie ihn kennen mögen?«
    »Du besitzt noch immer den Verstand jener Tage. Wach auf, Schwester, erinnere dich jenes Kirchenmannes, Leiter der Domschule, der sich erdreistet hat, unseren Zusammenkünften beizuwohnen.«
    »Onkel …«
    »Ja, sprich es nur aus. Onkel Bernhard.«
    »Er war ihr Bruder!«
    »Nein, Elysa.« Magnus’ Gesicht verfinsterte sich. »Wir alle haben es geglaubt, weil Mutter ihn als solchen vorstellte. Jener Mann, den du Onkel nennst, verpflichtete sich der heiligen Mutter Kirche, nachdem seine Geliebte einem anderen Mann versprochen worden war.«
    »Vater …«
    »Vater?« Magnus lachte gehässig, goss sich Wein ein und stürzte ihn hinunter. »Bernhard hat dich nicht aufgeklärt, nicht wahr? Nein. Ich sehe dich erstaunt. Nun, die verbrecherische Leidenschaft war längst nicht erloschen, und als angeblicher Bruder war er häufig hier zu Gast. Da gab sich ein ums andere Mal die Gelegenheit, die Glut der Begierde zum Brand zu entfachen.«
    Elysa starrte ihn an. »Das glaube ich nicht«, flüsterte sie.
    »Glaube es«, erwiderte Magnus und griff nach dem Käse. »Greif zu, Schwester! Oder soll ich Bastard sagen?« Seine Augen funkelten.
    Elysa erstarrte. In diesem Augenblick schoss die Erkenntnis heiß in ihre Wangen. »Du hast mich nicht kommen lassen, weil du eine Statthalterin für die Burg benötigst«, sagte sie leise.
    »Man erzählte mir, du wärest unterdessen zu einem klugen Weibe gereift. Doch wie gering ist die Klugheit der Frau gegen die List des Mannes.« Magnus biss in den Käse, ohne den Blick von ihr zu wenden.
    »Dann lass mich wissen, warum du mich geholt hast.«
    »Zum einen, um mich deines Vermögens zu bemächtigen, das du bedauerlicherweise nicht mit dir führst.« Er griff nach dem Krug, setzte ihn an seinen Mund und leerte ihn in einem
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