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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)
Autoren: Heike Koschyk
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sich getragen haben musste.
    Auch Jutta, als Medica im Kloster für die Versorgung der Kranken zuständig, war nirgends zu sehen. Beunruhigt lief Margarete hinauf ins Dormitorium. Hier war alles ruhig. Die Nonnen warenauf dem Weg in die Kirche, um das Morgenlob zu singen, und Margarete sah ein, dass es auch für sie Zeit wurde, der Glocke zu folgen, die den Beginn ankündigte. Hastig durchquerte sie in der Dunkelheit des Morgens den Kreuzgang und schlüpfte durch eine Seitentür in den von Kerzen erhellten Chorraum, wo sie gerade noch rechtzeitig Platz fand. Linker Hand entdeckte sie Jutta, die ihre Augen niedergeschlagen hatte, als führe sie ihr eigenes Zwiegespräch mit Gott. Margarete nahm sich vor, die Medica nach den Gesängen zu dem Verbleib von Adalbert zu befragen.
    »Wo ist der Mönch?«, wisperte Margarete, kaum dass die Nonnen sich gesammelt hatten, um den Chor zu verlassen.
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte Jutta fast unhörbar. »Er war schon fort, als ich von den Vigilien zurückkam.« Sie wartete, bis sich der Chorraum geleert hatte. »Er hat sich nicht hinlegen wollen, nachdem du ihn gebracht hattest. Die ganze Zeit hockte er in einer Ecke der Stube und redete wirr. Ich gab ihm einen Sud aus Balsamkraut und Fenchel, um sein Gehirn zu erwärmen und die Luftgeister zu vertreiben, die ihn heimsuchen, aber er hat ihn wieder ausgespuckt.« Jutta stockte und setzte hoffnungsvoll hinzu: »Vielleicht hat er das Kloster wieder verlassen?«
    »Hast du der Priorin sein Verschwinden gemeldet?«
    Jutta schüttelte den Kopf und presste den Finger auf die Lippen.
    Die Stille lastete schwer. Es war nicht das erste Mal, dass Margarete das Schweigegebot als unannehmbar empfand. Sie war eine muntere Person, die sich gerne austauschte und mit ihrer Schwatzhaftigkeit immer wieder den Tadel der Priorin auf sich zog.
    Für einen kurzen Moment überlegte sie, ob sie mit den anderen Nonnen die morgendliche Mahlzeit im Refektorium einnehmen sollte, aber sie entschied sich anders. Margarete machte sich Sorgen. Adalbert von Zwiefalten war früher häufig Gast im Rupertsberger Mutterkloster gewesen. Ein freundlicher und gebildeter Mönch, der das volle Vertrauen der seligen Meisterin genossenhatte. Margarete kannte ihn von den Tagen, an denen sie gemeinsam mit ihren Schwestern im Kloster Rupertsberg das Hildegardisfest feierten, dem auch er stets beigewohnt hatte. Noch vor einem Monat hatte sie ihn gesehen, am siebzehnten September, er war bei bester Gesundheit, mit vollem Haar und praller Haut. Adalbert musste Mitte fünfzig sein, nicht viel älter als sie, aber der Mann, den sie gestern in die Krankenräume geführt hatte, hatte wie ein Greis ausgesehen.
    »Es muss etwas Schreckliches passiert sein«, flüsterte sie, während sie die Kirche über das Westportal verließ.
    Zuerst sah sie in den Lagerräumen nach, dann in der Küche und in der angrenzenden Backstube. Das Feuer im großen Ofen brannte, und auf dem gegenüberliegenden Tisch lag warmes, dampfendes Brot.
    »Hat jemand einen alten Mönch gesehen?«, fragte Margarete, aber die Küchengehilfen, mehlverstaubt und mit roten Wangen, verneinten.
    Während Margarete zurück zum Krankenlager lief, bemerkte sie, dass es in ihrer Brust heftig pochte. Die Aufregung war ungewohnt, gewiss, aber es war noch etwas anderes, das sie atemlos machte. Wie gut kannte sie Adalbert wirklich, dass sie ihn so sicher in die Krankenstube geführt hatte, ohne den Rat des Seelsorgers einzuholen? Was, wenn die anderen Nonnen recht hatten, wenn es gar nicht Adalbert gewesen war, der sie aufgesucht hatte, sondern der Teufel selbst? Aber hatte nicht die große Meisterin bei der Heilung der besessenen Sigewize gesagt, der Teufel könne nicht in Menschen schlüpfen, weil sie das Abbild Gottes seien?
    Aber wenn ihm nun der Teufel eingeflüstert hat, Schreckliches zu tun?
    Adalberts Lager war noch immer unberührt. Margarete bemerkte, dass der lederne Beutel nicht mehr an seinem Platz lag. Hastig lief sie zur Misericordia, sah aber nur Jutta und eine krankeNonne, die bei Tisch saßen, vor ihnen Schalen mit Getreidebrei und ein Laib Brot.
    »Hast du Adalbert gesehen?«, fragte Margarete.
    Jutta schüttelte den Kopf und sah sie mit sorgenvollen Augen an. Margarete schloss leise die Tür und stieg abermals hinauf ins Dormitorium, sie glaubte nicht, dass der Mönch hier war, aber sie würde nun jeden Raum inspizieren. Der Schlafsaal war leer. Sie lief weiter.
    Im Refektorium an der Südseite des
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