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Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)

Titel: Pergamentum – Im Banne der Prophetin: Roman (German Edition)
Autoren: Heike Koschyk
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Kreuzganges sammelten sich die Nonnen zum Frühstück an den Tischen, doch auch hier war Adalbert nirgends zu sehen.
    Margarete hastete zum Badehaus, dann zu den Latrinen und stellte fest, dass es einer der Nonnen nicht gutging. Sie ignorierte das qualvolle Stöhnen jedoch, was sonst nicht ihre Art war, und lief zum Kreuzgang zurück.
    Schwer atmend blickte sie in den bewölkten Himmel, der den Innenhof nur zögernd erhellte. Hatte Adalbert das Kloster tatsächlich verlassen, wie Jutta vermutete? Sollte sie besser im Torhaus nachfragen?
    Margarete hielt inne und beobachtete, wie ihr Atem in schnellen Wölkchen zum Himmel stieg. Einer inneren Stimme folgend, wusste sie plötzlich, wo sie suchen musste. Voller Hoffnung eilte sie in Richtung Skriptorium.
    Im Kloster Zwiefalten war Adalbert einer der begabtesten Schreiber gewesen. Er musste sich Zugang zur Klosterbibliothek verschafft haben. Warum sie es so fest glaubte, konnte Margarete nicht sagen. Die Bibliothek barg nur einen Bruchteil der Schätze des angesehenen Mutterklosters, enthielt vorwiegend solche Werke, die dem täglichen Klosterleben dienlich waren und den Nonnen zum Vollzug der Offizien nützten. Wenngleich manche von ihnen zu den Psalmen nur stumm die Lippen bewegten, ohne den Inhalt wahrhaftig zu verstehen.
    Hier in Eibingen gab es nur wenige, die gelehrt genug waren, Bücher zu lesen, geschweige denn Werke zu kopieren oder gar selbst welche zu schreiben. Das Skriptorium war nahezu verwaist, die Schreibpulte wurden seit Jahren nicht mehr benutzt. Margarete selbst hatte die Arbeit im Skriptorium aufgeben müssen, als ihre Finger zu schmerzen begannen und den Federkiel nicht mehr fest genug halten konnten. Warum also glaubte sie den alten Mönch an diesem verlassenen Ort?
    Doch was lag näher, als sich in vertraute Räume zu begeben, wenn man Geist und Körper beruhigen wollte? Wahrscheinlich würde sie Adalbert in dem Raum vorfinden, der Skriptorium und Bibliothek zugleich war. Auf der Suche nach Werken, die ihm seinen Zustand erklärbar machten und Hilfe versprachen bei einer Krankheit, die ihn innerhalb weniger Wochen hatte zerfallen lassen.
    Ich hätte gleich hierherkommen sollen, dachte die Nonne, als sie die steile Wendeltreppe hinaufstieg. Und während sie die Stufen erklomm, nahm sie auch den merkwürdigen Geruch wahr, der Adalbert anhaftete.
    Fast wäre sie über ihn gestolpert. Der Mönch lag am Ende der Treppe, direkt hinter der letzten Windung. Der Körper seltsam verrenkt, die rechte Hand auf die oberste Stufe hinabhängend. Seine Augen waren weit aufgerissen, das Gesicht war bläulich verfärbt.
    Margarete unterdrückte einen Schrei. Sie würgte heftig, am liebsten wäre sie aufgesprungen und davongerannt, dann aber erinnerte sie sich ihrer Pflicht.
    Mit einem tiefen Seufzer überging sie das immer stärker werdende Gefühl der Bedrohung, betrachtete die eigentümlich helle Farbe seiner Haare, die kahlen Stellen, an denen sich sonst Augenbrauen befanden, die pergamentartige Gesichtshaut. Dann strich sie über seine wimpernlosen Lider und schloss die Augen.Margarete atmete auf, sie konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, dass die Augen sie anklagend angestarrt hatten, so, als hätte Adalbert jemanden dafür verantwortlich gemacht, nicht den Tod zu sterben, den er als Christ verdient gehabt hätte. Den richtigen, guten Tod, mit Weihwasser, Weihrauch und den Psalmengesängen der umstehenden Vertrauten, die den Übergang ins Himmelsreich begleiteten. Und mit Beichte und der Erteilung der Absolution, denn dass diese vonnöten gewesen wäre, um ihn ins königliche Himmelreich zu geleiten, dessen war sich Margarete nun sicher.
    Rasch nahm sie seine Hände, um sie wie zum Gebet zu falten. Sie waren kalt und starr, es war, als begriffen sie nicht, dass die Seele bereits losgelassen hatte. Margarete hatte Mühe, die Finger auseinanderzubekommen, und als sie die einzelnen Glieder zurückbog, fiel ein helles Stück abgerissenen Pergaments heraus, beschrieben mit lateinischen Buchstaben und verziert mit einer prachtvollen Miniatur. Behutsam strich sie über das Blatt. Die Oberfläche war aus feinster Kalbsleder- oder Lämmerhaut, mit Bimsstein so glatt geschliffen, dass keine Poren mehr zu erkennen waren.
    Aufmerksam betrachtete Margarete die kostbare Miniatur. Sie war fein und dergestalt, wie sie sonst nur in den großen Klöstern gefertigt wurde. Das Bild kam ihr bekannt vor, und dennoch konnte sie es nicht gleich zuordnen, denn etwas irritierte
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