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Perfekte Manner gibt es nicht

Perfekte Manner gibt es nicht

Titel: Perfekte Manner gibt es nicht
Autoren: Cabot Meg
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nicht … Haltet sie auf, irgendjemand muss sie sofort aufhalten!«
    Zu spät. Lou war bereits am Regiesessel vorbeigestolpert, schleppte sich in ihren hochhackigen Schuhen den steilen Hang hinauf und schrie wie am Spieß. »Geh da raus, Jack, das ist eine Falle! Tim Lord will dich umbringen!«
    Hinter sich hörte sie die Stimmen ihres Vaters und Tim Lords. Und aus irgendeinem Grund kreischte Melanie Dupre ebenfalls. Am Set brach ein Chaos aus. Lou erkannte auch die Stimme des Sheriffs, der sein Bestes tat, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. Und Alessandro kläffte schrill.
    Aber Lou kannte nur einen einzigen Gedanken – sie musste Jack aus dem Schacht holen, bevor Tim auf den
Schalter drückte, der den ganzen Hang in die Luft jagen würde.
    Genau wie in Barrys Pompeji-Vision.
    Als sie den Eingang zur Mine erreichte und hineintaumelte, flackerte in ihrem Kopf ein kurzer Gedanke auf: Es ist zu kalt für Spinnen – viel zu kalt für Spinnen …
    Doch von Jack keine Spur. Die kleine Höhle hinter der Öffnung war leer. Nur ein paar alte Kisten. Kein Jack. Sie konnte ihn nirgendwo erblicken.
    »Bist du da, Jack?«, rief sie heiser. »Ich bin’s, Lou.«
    Und dann hörte sie seine Antwort. Aber die Stimme, die ihren Namen rief, drang nicht aus dem Schacht herauf, sondern aus weiter Ferne.
    Er sagte etwas Seltsames. Sie verstand es nicht genau, weil die Leute so laut schrien. Doch sie glaubte, er hätte ihr befohlen: Bleib, wo du bist!
    »Jack?« Ein seliges Lächeln erhellte ihr Gesicht. O Gott, er lebte! Sie war nicht zu spät gekommen, er war noch am Leben. »Wo bist du, Jack?« Sie drehte sich um und verließ die Mine, um herauszufinden, woher seine Stimme kam.
    Als sie in den Schnee stieg, blieb ihr Fuß an irgendetwas hängen – an einem Draht, der sich um ihren Knöchel wand und eine Laufmasche in die Strumpfhose riss. »Verdammt!«, fluchte sie und versuchte, sich zu befreien.
    »Nein!«, schrie Jack. Und da wusste sie, was sie getan hatte.
    In panischer Angst riss sie die Arme über ihren Kopf und wartete darauf, dass der ganze Mount McKinley auf sie herabstürzte.

32
    Aber es geschah nicht. Noch nicht.
    Stattdessen warf sich Jack Townsend auf Lou, mit seinem ganzen Körpergewicht von neunzig Kilo, und presste die ganze Luft aus ihren Lungen. Dann fielen sie zusammen auf den festgefrorenen Schnee.
    Im selben Moment explodierte direkt hinter ihnen ein orangeroter Feuerball, Stein- und Holzsplitter hagelten in einer dichten Rauchwolke auf sie herab.
    Ohrenbetäubender Krach, sengende Hitze … Mehrere Sekunden lang sah Lou nur schwarze Finsternis, und sie wusste nicht einmal, ob sie noch lebte. Sie hörte nichts, empfand nichts – sie spürte nur die eisige Kälte, die durch ihre Bluse und den Rock drang und ihren Körper aller Gefühle beraubte.
    Als sich das Dunkel lichtete, spürte sie noch etwas. Auf ihrem Körper lag irgendwas Schweres. Also war es nicht der Rauch, der ihr den Atem nahm, sondern dieses enorme Gewicht …
    Dann wurde es entfernt, undeutliche Stimmen erklangen. Was gesprochen wurde, verstand sie nicht. Aber nachdem sie winzige Splitter und Staub aus ihren Augen geblinzelt hatte, sah sie endlich den strahlend blauen Himmel – nie war er ihr schöner erschienen – und vertraute Gesichter, die sich zu ihr herabneigten. All diese Menschen redeten auf sie ein. Doch sie hörte die Worte nicht, denn ihre Ohren dröhnten immer noch von der Explosion.

    Allmählich ergab das, was die Leute sagten, einen Sinn, und Lou konnte sogar die Personen erkennen. Da stand ihr Dad, offensichtlich von kalter Panik erfasst. Noch nie hatte sie ihn so entsetzt gesehen, au ßer in der Nacht, als ihre Mom gestorben war. Da war Eleanor Townsend, die lauthals weinte. Und Sheriff O’Malley, der jemanden anschrie, der am Boden lag.
    Es war nicht Lou, denn sie lag nicht mehr am Boden. Ihr Dad und Paul Thompkins, der Regieassistent, versuchten, sie auf die Beine zu ziehen. Doch sosehr sie sich auch bemühte, stehen zu bleiben – einer ihrer Füße trug sie nicht, und sie sank den beiden in die Arme.
    Dann sah sie Jack.
    Das Gesicht und die Wildlederjacke voller Ruß, die Augen geschlossen, lag er im Schnee auf dem Rücken. Er bewegte sich nicht. An seiner Seite kniete der Sheriff und brüllte ihn an.
    Bis Lou die Worte verstand, dauerte es eine Weile.
    »Wachen Sie auf, Jack, kommen Sie zu sich …«
    Und dann kroch Lou durch den Schnee zu Jacks regloser Gestalt. Unaufhaltsam rannen Tränen über ihre Wangen.
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