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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition)
Autoren: Oke Gaster
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Drohungen auszustoßen. Außer wenn er breit war, dann musste man aufpassen, denn dann konnte ihm durchaus auch schon mal die Hand ausrutschen. Dies war genau zweimal passiert und dabei hatte sie sich bei jeder seiner vorangegangenen Wutattacken geschworen, dass sie, wenn er jemals anfinge sie anstelle irgendwelcher Möbelstücke oder Vasen durch die Gegend zu werfen, ohne ein Wort die Beziehung zu beenden und für immer zu gehen. Der einzige Grund, weshalb sie es nicht gleich beim ersten Mal  getan hatte war der, dass sie im achten Monat schwanger war.
     
    Es wurde Zeit für sie ins Bett zu gehen. Morgen früh hieß es wieder rechtzeitig aufstehen, um acht Uhr begann ihre Schicht. Wenn die Kinder Ferien hatten war sie deutlich flexibler und arbeitete manchmal auch nachts oder frühe Frühschichten (ab 4 oder 5 Uhr morgens). Im Moment hatte eines ihrer Kinder Ferien, das andere… Nun ja… War beurlaubt? Oder wie konnte man das sonst nennen? Vielleicht traf es „auf dem Weg ins Verderben“ besser, denn genau das war David.
    Sie würde sich Hilfe suchen müssen.
    Auf sie hörte er nicht, auf Oma ebenso wenig und selbst Opa konnte mit seiner Strenge nichts mehr bei ihm bewirken. Alles schien an ihm abzuperlen.
    Als sie auf dem Weg ins Badezimmer war, schaute sie durch den offenen Spalt ins Zimmer ihres Sohnes. Er schlief. Dabei war es gerade mal kurz nach 22 Uhr. Er lag da in seinem Bett und schlief. Die Decke hing vom Bett herunter. Er hatte sie sich bestimmt abgestreift, weil es viel zu warm war, um mit Decke zu schlafen. Er war nur mit einem weißen T-Shirt und einer karierten Boxershorts bekleidet.
    Wie sehr sie dieses Kind doch liebte, und wie traurig es sie gleichzeitig machte. Unfassbar! Solche Gefühle kann nur eine Mutter erleben.
    Ebenso wie nur eine Mutter nach einem solchen Streit den Drang verspürt, einfach die Decke über ihren Sohn zu legen, sein Kissen zu richten oder ihm zumindest einen Gutenachtkuss aufzudrücken. Warum war das nur so? Warum hatte man es als Mutter bloß so beschissen schwer? Warum fragte man sich als Mutter selbst jetzt noch, ob man ihm nicht doch das Geld für die Fahrt zustecken sollte, getreu dem Motto, er ist doch mein Baby… er ist doch noch so klein…
    Nadjas Tür war verschlossen, aber auch sie schlief bestimmt schon. Nadja war sehr feinfühlig und wenn ihre Mutter mit David Streit hatte, dann zog sie sich einfach zurück. Manchmal knallte sie – fast schon um Protest zu äußern – sogar die Zimmertür laut zu.
    Sie war ein tolles Mädchen.
    Ein echtes Mädchen vor allem. Eine richtige kleine Zicke… Und einfach genau wie die Mutter. Das dachte sie oft: Nadja ist genau wie ich. Wir sind uns so ähnlich. Und David… David ist genau wie Arno.
    Sie liebte ihn deshalb nicht weniger. Sie liebte ihn anders und selbst das machte ihr manchmal zu schaffen. Warum konnte eine Mutter nicht beide Kinder auf exakt die gleiche Art und Weise lieben?
    War sie ungerecht zu ihrem Prinzen? War sie parteiisch in der Verteilung ihrer Gefühle? Kümmerte sie sich zu wenig um ihn und zu viel um Nadja?
    War das vielleicht schon immer so und hatte er es so empfunden?
    War er deshalb so schwierig in der ganzen Schulzeit? Als Nadja noch nicht da war, war er noch so unauffällig, so lieb und so knuffig.
    Sie stöhnte und ging ins Badezimmer. Ihre Kraft reichte nicht mehr, um sich darüber auch noch den Kopf zu zerbrechen.
    Ihre Augen waren ganz rot und sie sah, dass sie vergessen hatte sich abzuschminken.
    Ihr Gesicht sah aus wie das eines Clowns. Überall war Farbe von der durch ihre Tränen verwaschenen Schminke. Sie hatte in letzter Zeit häufig Bauchschmerzen. Anna, ihre ehemalige Nachbarin, meinte, das könnte vielleicht auch vom Hunger kommen.
    Sie verspürte aber gar keinen Hunger. Wenn doch, dann aß sie einen Schokoriegel oder eine Banane und das reichte ihr auch. Jetzt knurrte ihr Magen richtig. Er klang fast schon zornig. Sie war sich sicher, dass es an der Psyche lag. Ihr Magen brauchte keine Nahrung, er brauchte gesunde Nerven. Was immer sie dafür tun musste, sie würde David helfen. Und sie würde es nicht zulassen, dass er ein Leben führen musste wie sein Vater. Unter gar keinen Umständen… Auch wenn sie ihn noch immer für seine Dummheit erwürgen konnte. Sie nahm sich vor, ihn sich morgen zur Brust zu nehmen. Gleich wenn sie von der Arbeit kam.
    Auch wenn es zu nichts führte – irgendwohin musste sie schließlich auch mit ihren Gedanken, ihren Ängsten und Zweifeln. Sie
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