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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition)
Autoren: Oke Gaster
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abgestumpftem Gesichtsausdruck, und ihr, quasi im Vorbeigehen, sagte, „Wird doch nichts.“ 
    Sie hatte ihn am Arm gepackt, denn er wollte einfach weitergehen.
    War das zu glauben? Er wollte einfach weitergehen !
     „Was?“ hatte sie gefragt, „Was wird doch nichts ?“
    Er hatte sie angeguckt und mit den Achseln gezuckt, ehe er an seinem Daumennagel zu kauen anfing und nach wiederholter Nachfrage sagte, „Ja, Ausbildung nä.“
    Diese drei Worte… Diese drei Worte aus Davids Mund, sie gingen ihr einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und immer wenn sie daran dachte, schossen ihr zwangsläufig Tränen in die Augen.
    Davids zukünftiger Chef – oder besser gesagt der, der es hätte werden sollen – hatte bei der Vertragsunterzeichnung vorgeschlagen, dass David in den Sommerferien ein Praktikum bei ihm absolvieren sollte.
    Ausbildungsbeginn war der erste August, doch Sommerferien waren bereits früh in diesem Jahr. „So kann er mal rein schnuppern, die Kollegen schon mal kennenlernen und mal gucken, was ihn hier erwartet“ hatte Udo Bahmsen, der Filialleiter des Edeka-Marktes, gemeint. David brauchte nur an drei Tagen in der Woche zu kommen, um ein bisschen beim Packen mitzuhelfen, weiter nichts. Dieser Betrieb war ein Segen für alle. Sie wollten David haben und legten ihm seine Zukunft mit einer solchen Freundlichkeit und Offenherzigkeit dar, dass er sich nur noch die Schuhe abputzen und über die Schwelle zu gehen brauchte.
    Drei Tage in der Woche beim Ware packen helfen, als Warm-Up sozusagen, für die bald beginnende Ausbildung. Und was war? WAS WAR ?
     
    Sie legte ihre Brille ab und schnäuzte sich in ein Taschentuch. Nun dachte sie doch wieder daran. Fassungslos, ratlos… ohne Worte! Ihr Sohn, David Gimm, war pflichtbewusst erschienen, hatte beim Packen mitgeholfen und… und dann… Dann hatte man ihn beim Klauen erwischt. Beim KLAUEN!
    David hatte die ihm offen hingelegte Chance und alle Freundlichkeit, die ihm entgegengebracht worden war, mit Füßen getreten, drauf gespuckt, sie vergewaltigt und missbraucht , verdammt noch mal.
    Ja, kurzum: Er hatte sich selbst entlassen, ehe der Vertrag zum ersten August zustande kam.
    Und jetzt hatte David nichts mehr, gar nichts! Er saß jetzt jeden Tag auf seinem Zimmer, rauchte wie ein Schlot (und zwar ganz gewiss nicht nur seine eigenen Zigaretten sondern auch von ihren mit) und daddelte am Computer herum.
    Mit Lena! Mit der süßen kleinen Lena aus irgendeinem stupiden Scheißchat.
    Wenn sie sich nur vorstellte, dass ihr eigener Sohn da im Zimmer saß, mit einem fremden Mädchen am Computer eine Beziehung aufbaute und sich ansonsten um nichts kümmerte, dann hätte sie ausrasten können, ehrlich ,sie hätte aus-ras-ten können.
    Und genau das tat sie innerlich.
    Tag für Tag!
    Ihre Haut war aschfahl vom vielen Rauchen der letzten Wochen. Wie immer in besonderen Stresssituationen keimte ihre Akne wieder auf, sie hatte fast fünf Kilo abgenommen.
    Fünf Kilo in drei Wochen .
     
    Ritsch-Ratsch machte das Zigarettenstopfgerät und die nächste Fluppe war fertiggestellt.
    Sie überkreuzte die Beine, ließ sich ins Sofa zurück sinken und steckte sich die Zigarette an.
    Auch heute Abend war David wieder (ganz David, ganz sein Vater, ganz der Looser) zu ihr gekommen und hatte sie gefragt: „Was is nu mit Flensburg?“
    Lena, seine Internetfreundin, lebte dort.
    Sie hatte sich anfangs wirklich für ihn gefreut. Lena war ein niedliches Mädchen, zumindest soweit man das anhand irgendwelcher Fotos am PC beurteilen konnte.
    Sie hatte ungefähr schulterlanges, rot-blondes Haar, große blaue Augen, war schlank und wie es schien sehr aufgeschlossen.
    David kam sehr oft an und sagte, dass er von Lena grüßen solle.
    Sie hatte sich schon mit ihrer „Schwiegertochter“ arrangiert… Damals… Als David noch eine Zukunft hatte und das Leben endlich mal funktionierte.
    Heute wurde ihr schon beim Namen Lena schlecht! Dabei konnte das Mädchen gar nichts dafür. Eigentlich war es gemein, ihre Wut auf David gleichermaßen auf sie zu projizieren, aber sie war einfach der altbekannte Tropfen auf dem heißen Stein. Sie war das einzige, wofür David sich noch interessierte. Ein Mädchen aus dem Internet. Und das durfte so einfach nicht sein.
    Heute Abend war sie endgültig ausgeflippt. Sie war so aus der Haut gefahren, dass ihr eigener Sohn da stand und keine Widerworte mehr fand. Er stand da, groß und schlaksig wie er eben war, und hatte Pipi in den Augen. Dann war er
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