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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn
Autoren: Boris Akunin
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zurück. Das dumme Ding tat ihm Leid.
    »So doch nicht! Ich hab es dir doch gezeigt!«, unterbrach Magellan gerade seine Erzählung. »Du musst das Handgelenk stillhalten! Mit den Fingern sollst du arbeiten, nur mit den Fingern! Gib her!«
    Er nahm dem bebrillten Kolosseum den Ball weg und quetschte selber daran herum.
    »Immer im Rhythmus, verstehst du, im Rhythmus! Und das mindestens tausend Mal, besser zehntausend Mal! Wie willst du denn mit solchen Spinnenfingern ein Arabervollblut am Zügel halten? Streng dich an, tu was.«
    Er warf den Ball zurück, aber diese Pfeife von Verseschmied ließ ihn fallen.
    Der Ball traf auf den Decksplanken auf und sprang mit einem Wuppdich wieder in die Höhe. Dabei machte er so ein sattes, helles Geräusch, irgendwie übermütig, das gefiel Pfannkuchen sehr.
    Dann kullerte und trudelte und sprang der Ball über die Planken, und im selben Augenblick senkte sich der Nebel wieder wie ein dichtes Laken herab und ersäufte die ganze wackere Truppe in suppiger, weißer Dickmilch.
    »Du Schlafmütze!«, tönte Magellans Stimme. »Na schön, den holst du dir später.«
    Aber Pfannkuchen hatte den Wunderball schon im Visier. Was für ein vergnügliches Ding. Das konnte er vielleicht Parchomka, dem Zeitungsjungen, schenken, der Kleine sollte auch mal seinen Spaß haben.
    Wenn es nur nicht über Bord gefluppt ist. Pfannkuchen sputete sich.
    Von ferne gesehen war das bestimmt ein komischer Anblick: zwei rollende Kugeln, eine kleine und eine große.
    Halt, du entkommst mir nicht!
    Der kleine Ball prallte gegen etwas Dunkles, blieb liegen – und wurde sofort geschnappt. Um ein Haar hätte Pfannkuchen in seinem Jagdeifer einen Mann angerempelt, der dort auf den Decksplanken saß (gegen den war nämlich auch der flinke Rubberball geprallt).
    »Pardon«, entschuldigte sich Pfannkuchen artig. »Der gehört mir.«
    »Wenn er Ihnen gehört, dann nehmen Sie ihn«, antwortete der Sitzende sanft. Und damit wandte er sich wieder seinen Gesprächspartnern zu (neben ihm saßen noch zwei) und setzte die Unterhaltung fort. Pfannkuchen blieb der Mund offen stehen. Das waren ja noch ulkigere Gestalten als die von vorhin.
    Zwei Männer und ein Weib, aber alle drei gleich gekleidet: weiße fersenlange Kittel mit einem blauen Streifen um die Mitte, nur, dass er bei dem Weibsbild aufgenäht war, während die Männer ihn mehr schlecht als recht mit Farbe draufgepinselt hatten.
    Pfannkuchen ging ein Licht auf: Das mussten die »Findelkinder« sein, über die sich die Juden so aufgeregt hatten. Er hatte zwar noch nie welche gesehen, aber schon mal in der Zeitung über sie gelesen, über diese Konvertiten und ihren Propheten Manuila. In der Zeitung kann man ja über alles lesen, was es so in der weiten Welt gibt.
    Die »Findelkinder«, das waren zwar Russen, aber sie hatten sich vom Christentum losgesagt und den jüdischen Glauben angenommen. Was sie damit anfangen wollten, mit dem jüdischen Glauben, und warum sie »Findelkinder« hießen, das war ihm entfallen, aber er erinnerte sich noch, dass diese Abtrünnigen in der Zeitung ordentlich ihr Fett abgekriegt hatten, und über diesen Manuila hatte auch nur das Schlechteste dringestanden. Der hatte nämlich einen Haufen Menschen betrogen und vom orthodoxen Glauben abgebracht, und das mag natürlich niemand, ganz klar!
    Pfannkuchen waren die drei auch gleich unsympathisch, und er überlegte, was er ihnen wohl klauen könnte – nicht wegen der Beute, sondern damit sie mal merkten, was es heißt, Christus zu verraten.
    Er bezog ein paar Schritte weiter weg Stellung hinter einer Kiste und legte sich auf die Lauer.
    Der, gegen den der Ball geprallt war, war ein älterer Mann mit zerknittertem Gesicht. Dem Aussehen nach konnte er ein versoffener Kanzleibeamter sein. Jetzt war er aber nüchtern. Er hatte so eine butterweiche, betuliche Art zu reden.
    »Wahrlich, ich sage euch: Er ist der Messias. Nicht Christus ist der wahre Messias, sondern er. Böse Menschen haben versucht, ihn zu kreuzigen, aber es ist ihnen nicht gelungen, denn Manuila ist unsterblich, Gott hält seine schützende Hand über ihn. Wie ihr ja wisst, hat man ihn schon einmal getötet, doch er ist wieder auferstanden. Aber er ist nicht in den Himmel aufgefahren, sondern unter den Menschen geblieben, denn er ist für ewig gekommen.«
    »Ich trage Bedenken, Jehuda, was die Beschneidung angeht«, sagte ein riesiger Mann mit Bassstimme. Pfannkuchen erkannte an seinen Händen und an den schwarzen Pünktchen in
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