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Pechvogel

Pechvogel

Titel: Pechvogel
Autoren: Alexander Fuchs
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gemordet und war nur schnell zum Abkassieren hierher zurückgekehrt.
    »Zwei Erwachsene, zwanzig Euro.«
    Richard schob einen Zwanzig-Euro-Schein unter der durchsichtigen Plastiktrennwand hindurch. Er hatte sich von Sandra bequatschen lassen, sie einzuladen.
    »Dann geht mal rein und genießt den Abend, ihr zwei«, grinste der Clown mörderisch hinter seiner Plastiktrennwand.
    Richard antwortete mit dem Zucken einer Wange.
    »Danke, Clown«, strahlte Sandra.
    Vor der feiernden Meute trennte sie nur noch eine zweiflügelige Holztür mit eingefasstem Wellenglas am oberen Ende.
    Sandra öffnete die Tür zum Horrorkabinett.
    Richard war das Entsetzen aufs Gesicht geschrieben. Was er sah, war schlimmer als die fiesen Horrorstreifen Halloween , Freitag, der 13. und Saw zusammen. In diesen Horrorfilmen bekam man wenigstens fiktive Gestalten geboten, Richard wurde aber mit blanker Realität konfrontiert. Männer, die sich als Penis verkleidet hatten, Frauen, die einmal die billigste aller Nutten aus sich rausholen wollten, Gruppen, die aussahen wie ein Wald (männlich) oder wie Babys mit dreckigen Lätzchen und verschissener Windel (weiblich), und ganze Truppen der Weltpolizei mit roter Nase und rotweißen Streifenshirts. Dazu noch Neandertaler, ausgestattet mit Modern-Talking-Blousons oder mit hunderten und eklig stinkenden Petry-Bändchen.
    »Oh, Sandra, ich glaub, du feierst doch lieber alleine und ich geh mit Max zusammen einen trinken.«
    »Nichts da, du bleibst schön hier.«
    Sandra packte Richard am Arm und zerrte ihn mit sich. Zu Anfang wehrte sich Richard noch wie ein kleines Kind, das man zum Onkel Doktor in die Praxis schiebt, doch nachdem er dartpfeilspitze Blicke von Frauen, die als dumme Gänse verkleidet waren, erntete, sträubte er sich nicht mehr. Er würde alles, was kommen würde, über sich ergehen lassen. In der Hoffnung, dass der Abend auf diese Weise schneller zu Ende gehen würde.
    Der Saal für die Besucher der anderen Planeten war einfach aufgeteilt. In der Mitte eine ausladende Tanzfläche, außen herum faschingsgerecht verzierte (weißrote Luftschlangen) Tische und Bierbänke und vier Bars mit der Stoffausgabe für die Besucher.
    »Na, wie findest du es?«, fragte Sandra. Sie hatte mit Richard im Schlepptau an einer der Bars den Anker geworfen.
    Richard steckte sich den Finger in den Mund und nahm den Kopf nach vorne.
    »Aber Richard, wir sind doch erst fünf Minuten hier.«
    »So lange schon.«
    Nachdem Sandra ihr erstes Glas Sekt hinuntergespült hatte, stellte sie die für sie alles entscheidende Frage: »Kann ich dich alleine hier an der Bar stehen lassen?«
    »Ich werde hier stehen wie eine Eiche und mir ein Bier nach dem anderen gönnen.«
    Richard hatte schon lange kein Bier mehr getrunken. Doch er musste heute seinen Geist in Hypnose versetzen, ansonsten würde sein Geist kollabieren, bei dem, was er hier ertragen musste.
    »Ich schaff das«, sagte er.
    »Was?«
    »Diesen Abend hinter mich zu bringen.«
    »Schön, dann kann ich ja nun feiern gehen«, strahlte Sandra und stürzte sich ins Getümmel.
    Weg war sie.
    Richard dachte an den Faschingsball, nein, an den Verkleidungsball zurück, der ihm super gut gefallen hatte. Dort war er mit seiner ersten festen Freundin, Ingeborg. Er war zwanzig, es hielt fünf Wochen. Der Ball fand in einem Stuttgarter Nobelhotel statt. In Stuttgart lebten Ingeborgs Eltern. Ähnlich dem Karneval in Venedig hatten dort alle edle Masken und opulente Gewänder getragen. Dies konnte auch ungeheuer erotisch sein, wie in Eyes Wide Shut mit Tom Cruise gezeigt wurde. Einige der anderen gebildeten Menschen stellten Figuren aus der Geschichte oder aus Filmen dar. Das hatte Stil. Richard hatte von Ingeborg auch ein Gewand und eine venezianische Maske bekommen. Er verbrachte einen schönen Abend, wenn man außer Acht lässt, dass er sich nach dem Ball von Ingeborg getrennt hatte. Eher von ihr getrennt wurde, durch einen bulligen Typen mit blauen Augen, der sie in seine Luxussuite mitnehmen wollte. Ingeborg, das Luder, ging auch mit. Aus war’s mit der ersten Liebe.
    Nachdem Richard auf einem der Barhocker Platz genommen und drei Bier getrunken hatte, musste er einen Gang zurückschalten. Er ging zu Cola light über.
    Gedankenverloren hing er an dem Glas Cola light wie eine triefende Jacke an einem Kleiderbügel und sah dem feiernden Volk bei seinen rituellen Tänzen zu.
    »He!«
    Richard dachte, Worte aus einer fernen Galaxie vernommen zu haben. Kommunizierten die
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