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Pechvogel: Roman (German Edition)

Pechvogel: Roman (German Edition)

Titel: Pechvogel: Roman (German Edition)
Autoren: S. G. Browne
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Post Street einbiegt.
    Ich nehme die Sutter Street in die gleiche Richtung und halte schließlich hinter einem Laternenmast an der Ecke der Grant Avenue inne, direkt vor Banana Republic, dem nach einem korrupten Staat benannten Klamottenladen. Es dauert keine sechzig Sekunden, bis Tuesday in einem Block Entfernung wieder auftaucht, wo sie über die Straße und weiter in Richtung Union Square geht. Ich sehe sie hinter dem Juweliergeschäft Shreve & Company verschwinden, dann lasse ich die Grant Avenue hinter mir und laufe ihr voraus zur Stockton Street.
    Auf halbem Weg höre ich die Melodie von Luck Be a Lady – mein Wilderer-Handy klingelt. Ich gehe ran. Im Stillen hoffe ich, dass es sich um einen neuen Auftrag handelt, aber gleichzeitig vermute ich, dass sich nur wieder jemand verwählt hat. Oder dass es derselbe Witzbold ist, der es schon mal bei mir versucht hat, kurz bevor die chinesische Mafia mir ihre Aufwartung gemacht hat.
    »Restaurant Glücksdrache. Ja bitte?«
    »Was sind denn heute Ihre Spezialitäten des Tages?«, fragt eine Männerstimme am anderen Ende.
    Tatsächlich ein ganz normaler Kunde. Kaum zu glauben. Mein letztes Gespräch mit dieser Spezies liegt mehr als zwei Monate zurück. Und wenn man bedenkt, dass dieses Handy in den letzten drei Jahren insgesamt höchstens ein Dutzend Mal geklingelt hat, muss dies mein Glückstag sein.
    »Heute gibt es keine besonderen Spezialgerichte«, sage ich. »Nur die normale Karte. Allerdings sind die Meeresfrüchte aus.«
    Das ist das Codewort für Großes Glück.
    Die meisten Menschen denken, Glück wäre einfach nur Glück. Das ist in etwas so, als würde man behaupten: Eiscreme ist Eiscreme, oder ein Steak ist eben ein Steak. Aber handgemachte italienische Eiscreme kann man kaum mit Softeis aus der Maschine vergleichen und ein Filet mignon nicht mit irgendeinem Bruststück vom Rind. Es ist eine Frage der Güte.
    Auch Glück gibt es in unterschiedlichen Qualitätsklassen. Menschen mit Großem Glück gewinnen den Jackpot im Lotto, werden von Künstleragenturen entdeckt und erleiden nie wirklich ernsthafte Verletzungen.
    Menschen mit Mittlerem Glück streichen immer mal wieder einen kleineren Lottogewinn ein, heiraten den für sie perfekten Partner und sind oft zur rechten Zeit am rechten Ort.
    Diejenigen mit Kleinem Glück ergattern Geld- und Sachpreise in Gameshows, freunden sich mit Berühmtheiten an und landen hin und wieder ein Hole-in-one.
    Auch Pech gibt es in verschiedenen Abstufungen, aber es sind nicht so viele wie beim Glück. Es gibt nur Pech und Großes Pech.
    Ich erreiche die Stockton Street, schaue mich kurz um und laufe über die Straße. Vor dem Hotel Grand Hyatt suche ich mir einen guten Platz, um dort darauf zu warten, dass Tuesday auftaucht.
    »Hallo?«, sage ich und fürchte schon, dass ich einen möglichen Kunden verloren haben könnte – was nicht das erste Mal wäre. »Sind Sie noch da?«
    Schweigen am anderen Ende der Leitung, dann ein Räuspern. »Was können Sie denn heute empfehlen?«
    »Ich empfehle das Rindfleisch mit Orange«, erwidere ich.
    Mittleres Glück. Das kann zwanzig große Scheine und mehr einbringen, abhängig von Angebot und Nachfrage. Aktuell liegt der durchschnittliche Preis allerdings bei höchstens zehntausend. Großes Glück bringt derzeit etwa fünfundzwanzigtausend.
    Die Preise sind zwar nicht so niedrig wie nach dem Börsencrash 1987, worüber mein Großvater sich ständig aufgeregt hat. Trotzdem ist es, als würde man die Ware verschenken – obwohl man natürlich die Inflation berücksichtigen muss. Während des Booms, kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase, blätterten die Leute dagegen bis zu vierzig große Scheine hin, wenn man ihnen Mittleres Glück eines Typen wilderte, der einen einarmigen Banditen im Spielkasino geknackt hatte.
    »Gibt es noch das Hackfleischomelett?«, fragt er.
    Dafür bekomme ich nicht mehr als zwei oder drei große Scheine, aber das ist besser als nichts.
    »Ja, das haben wir. Möchten Sie eine Bestellung aufgeben?«
    Wieder herrscht Schweigen. Entweder bestellt er zum ersten Mal, oder er überlegt, was genau er sich leisten kann. Schließlich nehmen wir nur Bargeld. Kreditkarten und Schecks akzeptieren wir ebenso wenig wie Ratenzahlung.
    Da läuft es im Glücksgeschäft ähnlich wie beim Drogenhandel. Denn machen wir uns nichts vor: Glück ist eine Droge. Und wie jedes andere Betäubungsmittel hat es auch Nebenwirkungen. Es ist illegal, es macht abhängig, und es zieht Ihnen
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