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Paula Kussmaul laesst nicht locker

Paula Kussmaul laesst nicht locker

Titel: Paula Kussmaul laesst nicht locker
Autoren: Klaus Kordon
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an, als wäre sie schuld daran, dass seine Eltern mit ihm in die Rathausstraße gezogen waren, der Spinner! Wo kam er denn überhaupt her? Aus Hamburg? Von ihr aus konnte er gleich wieder dorthin zurückkehren. Nur seinen Manolito, den durfte er hier lassen. Mit dem könnte sie sich anfreunden. Vielleicht konnte er – im Gegensatz zu seinem »besten Freund« – ja sogar reden. Dann würde sie ihm ein paar Sprüche beibringen, die sich gewaschen hatten.
    Ein lustiger Gedanke! Gleich stellte Paula sich vor, wie sie diesem grünrotblaugelben Manolito die Worte »Heute nicht!« beibrachte. Was Katja und Jenny dann für Gesichter machen würden! Immer wenn die großen Schwestern etwas von ihr wollten – Mülleimer runterbringen, einkaufen gehen, Staub saugen, Küche ausfegen, beim Abwasch helfen –, würde Manolito »Heute nicht!« sagen. Und Katja und Jenny konnten toben, wie sie wollten, Manolito würde sie nur ankucken, ihnen zuzwinkern und »Heute nicht!« sagen.
    Es machte Spaß, diesen Gedanken immer weiter auszuspinnen. Schon bald aber kehrte Paula in die Wirklichkeit zurück. Sie hatte ja keinen Manolito. Und woher wollte sie denn einen bekommen? Aus der Zoohandlung? Solch herrlich bunte und große Vögel waren bestimmt sehr teuer. Eine Mutter, die mit ihren Kindern nicht mal in die Ferien fahren konnte, würde nie so viel Geld für einen Vogel ausgeben, ganz egal, wie schön, lustig oder redselig er war. Da gab es ganz andere, viel notwendigere Anschaffungen, die sie sich auch nicht leisten konnten. Bei jeder Bitte um irgendwas zählte die Mutter ihnen auf, was sie eigentlich viel dringender brauchten.
    Das alles dachte Paula, während sie immer weiter den Einzug der Familie Fühmann in die Rathausstraße 21 beobachtete und dabei hoffte, dass dieser KaugummiEnno noch einmal runterkommen würde. Wenn sie mit ihm allein war, würde sie ganz anders mit ihm reden. Da würde ihm die Kinnlade runterklappen, so klipp und klar würde sie ihm sagen, was sie von einem hielt, der ihr nicht die Hand gab, kein Wort sprach und die ganze Zeit nur kuckte wie so ein Friedhofsgespenst.
    Doch der dunkelhaarige Junge tauchte nicht wieder auf. Nur sein Vater kam ab und zu aus dem Haus, um bestimmte Gegenstände selbst in die neue Wohnung hochzutragen. Dann lächelte er Paula jedes Mal zu, und einmal fragte er sie, während er sich den Schweiß von der Stirn wischte, ob es denn in Bakenburg immer so heiß wäre.
    Sie wollte schon antworten: »Nur wenn wir über fünfunddreißig Grad haben«, biss sich aber gerade noch rechtzeitig auf die Lippen. Herr Fühmann konnte ja nichts für seinen doofen Sohn. »Nee«, sagte sie stattdessen. »Nur manchmal.«
    »Na, Gott sei Dank!«
    Herr Fühmann trug meistens nur sehr leichte Dinge ins Haus. Paula vermutete, dass es sich bei den größtenteils viereckigen, dick eingepackten Gegenständen um Bilder handelte; kostbare Gemälde vielleicht sogar. Im Fernsehen hatten sie mal so einen Gemälde-Transport gezeigt. Allerdings waren die Bilder, die da in ein Museum getragen wurden, zuvor geklaut und von der Polizei wiedergefunden worden. Herr Fühmann hatte seine Picassos bestimmt nicht geklaut.
    Einmal transportierte Herr Fühmann auch einen riesigen Vogelkäfig in seine Wohnung hoch. Der war bestimmt für den Papagei. Ob dieser Manolito aber manchmal auch frei herumfliegen durfte? Falls er es überhaupt noch konnte?
    Paula beobachtete Herrn Fühmann und die Möbelleute und machte sich dabei alle möglichen Gedanken, bis sie die Mutter von der Arbeit kommen sah. Sie hatte noch eingekauft, trug zwei schwere Taschen. Rasch lief Paula ihr entgegen und nahm ihr eine davon ab.
    »Na?«, fragte die Mutter mit müdem Gesicht. »Schönen Tag gehabt?« »Wunderschön!«
    »Komm, komm!« Die Mutter lächelte. »Es soll Leute geben, denen es noch schlechter geht als unserm Paulchen.«
    »Ja, ja«, sagte Paula, »die tun mir ja auch furchtbar Leid. Deshalb sammele ich ja schon den ganzen Tag für sie.«
    Da musste die Mutter richtig lachen. »Was sammelst du denn?«
    »Blöde Sprüche.«

Fünf Mäuler und ein Kuss
    Paulas Mutter war Busfahrerin. Durch die ganze Stadt zuckelte sie. Mal saß sie im 9er, mal im 16er. Mal fuhr sie morgens, mal nachmittags, mal nachts. Paulas Vater war Krankenpfleger. Aber in einer ganz anderen Stadt. Ihre Eltern hatten sich getrennt, weil sie sich zum Schluss nur noch gestritten hatten. Das war nicht schön für Paula und ihre Geschwister, aber immer noch besser als die ewige
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