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Paula Kussmaul laesst nicht locker

Paula Kussmaul laesst nicht locker

Titel: Paula Kussmaul laesst nicht locker
Autoren: Klaus Kordon
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Mama gerufen zu werden, obwohl Jenny das altmodisch fand. Für ihre Kinder sei sie noch lange nicht die Jäcki, sagte die Mutter. Nur ihre Freundinnen und der Vater durften sie so nennen, und sehr viel später würde sie das vielleicht auch ihren Enkelkindern erlauben, weil Oma Jäcki nicht so vornehm klang wie Oma Jacqueline.
    Den Vater nannten seine Freunde manchmal »Schwester Stefan«. Weil er doch Krankenpfleger war. Er lachte darüber nur. Wie eine »Schwester« sah er ja nun wirklich nicht aus, so groß und breitschultrig, wie er war. Eher wie ein Holzfäller.
    Standen die Eltern nebeneinander, sah das komisch aus. Die Mutter klein und rund wie ein Korken, der Vater hoch und breit wie der Rathausturm. Einmal, als er noch bei ihnen wohnte, hatte er sich die Mutter zum Spaß auf die rechte Schulter gesetzt – sie wären beinahe alle gestorben vor Lachen.
    Noch vor einem Jahr hatte auch Paula sich manchmal gewünscht, dass der Vater wieder zu ihnen zurückkehrte, jetzt, da die Eltern nicht mehr so viel miteinander stritten. Inzwischen wusste sie, dass dieser Wunsch vergebens war. Erstens stritten die Eltern ja nur deshalb nicht mehr so oft miteinander, weil sie nicht mehr zusammenlebten, zweitens hatte der Vater nun eine Freundin. Maria hieß sie, war Krankenschwester und arbeitete im gleichen Krankenhaus wie der Vater. Er brachte sie nie mit, nur ein Foto hatte er ihnen mal gezeigt und da hatte Jenny sofort gespottet: »Die sieht ja aus wie 'n Kaktus auf Stelzen.«
    Das war böse von Jenny, aber Katja, Paula und Linus hatte diese fremde Maria mit der Stoppelfrisur, die fast so groß wie der Vater war, auch nicht gefallen. Vielleicht, weil sie Angst bekommen hatten, dass auch die Mutter eines Tages einen Freund anschleppen würde. Die Mutter aber hatte nur gelacht, als Katja ihr beim Abendbrot von ihren Befürchtungen erzählte: »So schnell nicht, meine Damen! Wir fünf haben es doch sehr gemütlich miteinander oder etwa nicht?«
    Paula fand es auch sehr gemütlich bei ihnen. Mit dem Vater aber wäre es – ohne Streiterei – sicher noch gemütlicher gewesen. Wenn allerdings der Vater nicht wiederkam, einen anderen Mann brauchten sie erst recht nicht. Nur eine einzige Hoffnung spräche für einen neuen Vater: Ein Stiefvater könnte sie alle adoptieren. Und dann würden sie vielleicht einen schöneren Namen bekommen. Wenn Paula etwas an ihrem Vater störte, war das allein sein Nachname, den ja auch die Mutter, Katja, Jenny, Linus und sie trugen: Kussmaul!
    Ein entsetzlich doofer Name! Hätte der Vater bei der Hochzeit doch nur Mutters Namen angenommen! Dann würden sie jetzt allesamt Uhlenberg heißen. Auch kein schöner Name, aber viel besser als Kussmaul. Stefan, Jacqueline, Katja, Jenny und sogar Linus Kussmaul, das ging ja noch, Paula Kussmaul war unmöglich. Dieser Name war wie eine Ohrfeige, die ewig wehtat.
    Nein, nein, Paula wünschte sich nicht ernsthaft einen neuen Vater. Egal, was für einen tollen Nachnamen der hätte. Sie wollte nur nicht ewig Kussmaul heißen. Es war ekelhaft, dass Eltern ihren Kindern Namen verpassen durften, ohne dass die sich dagegen wehren konnten. So würde sie vielleicht nur wegen diesem Nachnamen früh heiraten müssen. Sie könnte sich dann ja bald wieder scheiden lassen. Streitereien anzufangen war kein Problem.
    Katja und Jenny litten nicht so sehr unter ihrem Nachnamen. Katja fand sich so schön, dass kein Name sie entstellen konnte, und Jenny war der Meinung, beim Menschen käme es ganz allein auf den Charakter an. Reichtum, Schönheit, Namen – alles unwichtig!
    Linus wiederum kapierte noch gar nicht, was ihm da angetan worden war. Lästerte einer in seiner Klasse über seinen Namen, spitzte er nur den Mund und machte ein echtes Kussmaul.
    Natürlich wohnten Kussmauls nicht im Vorderhaus wie die neu eingezogene Familie Fühmann. Im Vorderhaus war die Miete viel zu hoch und sie brauchten ja mindestens vier Zimmer: eins für die Mutter, eins für Katja und Jenny, eins für Paula und Linus und ein Wohnzimmer für alle.
    Im Hinterhaus konnten sie sich eine Vier-ZimmerWohnung leisten. Trotzdem mussten die Mutter und auch der Vater immer wieder jeden Pfennig zusammenkratzen, damit es für alles langte. Busfahrerinnen und Krankenpfleger waren ja nicht gerade Großverdiener. Und so war auch in diesem Jahr keine Urlaubsreise drin gewesen, nur Ferienspiele. Aber die, so fand Paula, waren nur noch für Kleinkinder wie Linus interessant. Sie selbst war dafür schon viel zu
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