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Paul, mein grosser Bruder

Paul, mein grosser Bruder

Titel: Paul, mein grosser Bruder
Autoren: Hakan Lindquist
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«
    »Du schläfst vielleicht zu wenig«, sagte sieweiter. »Du liest ja immer bis spät in die Nacht. Und wenn man nicht ausreichend Schlaf bekommt, wird man empfänglicher für alles, was um einen herum geschieht. Alles, was man träumt. Vielleicht wäre es besser, wenn du früher schlafen gehst .«
    »Ja, vielleicht.«
    »Du musst schon entschuldigen, dass ich so reagiert habe«, sagte sie und hielt meine Hand umschlungen. »Aber ich hatte das Gefühl, verrückt zu werden, als ich euch hörte, wie ihr all die Einzelheiten dieses schrecklichen Brandes ausgebreitet habt .«
    »Du brauchst dich nicht entschuldigen. Ich bin auch beinahe verrückt geworden .«
    Und dann lächelten wir einander an.
    »Erinnerst du dich an diese Familie ?«
    »Ja, ich habe im Auto an sie gedacht. Ich kann mich an sie erinnern. Ich habe die Frau einmal im Krankenhaus gesehen. Sie hatte sich verlaufen, glaube ich, und ich half ihr. Und der Mann, Adam, an den erinnere ich mich auch, allerdings nur vage .«
    »Und an den Sohn? Erinnerst du dich an ihn ?« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich glaube, ich bin ihm nie begegnet. Ich erinnere mich nur, dass etwas über ihn in der Zeitung gestanden hat. Er hatte ziemlich schwere Verbrennungen und lag bewusstlos im Krankenhaus. Ich erinnere mich, dass ich mich fragte, ob er vom Tod seiner Mutter etwas wusste .«
    Ich sah sie verwundert an. »Wann hast du das gelesen ?«
    »Es stand am Tag nach dem Brand in der Zeitung«, antwortete sie flüsternd. »Am selben Tag, als Paul starb.«
    »Und du erinnerst dich daran? Obwohl es derselbe Tag war, als Paul starb, kannst du dich an einen Zeitungsartikel erinnern, der von einer anderen Familie handelte? Von einem anderen Jungen?«
    »Ja, vielleicht gerade deswegen. Ich glaube, ich erinnere mich an alles, was an jenem Tag passierte .«
    »Erinnerst du dich ... «
    »Woran?«
    »Erinnerst du dich noch daran, wie dieser Junge hieß? Der andere Junge?«
    Sie überlegte einen Moment. »Nun, er hieß Peter. Nein, warte. Petr! Genau. Petr .« Plötzlich erstarrte sie.
    Ich musste mich stark zusammenreißen, um nicht wieder loszuweinen.
    »Was ist los ?« , fragte ich und schluckte.
    »Ich habe gerade an etwas gedacht«, murmelte sie. »Ich glaube, dass Paul einen tschechischen Jungen kannte, der Petr hieß. Ja, er hieß Petr. Und plötzlich wurde mir bewusst, dass es vielleicht derselbe Junge war ... Verstehst du? Stell dir vor, wenn es derselbe Junge gewesen ist. Dessen Mama da drin verbrannt war und den Paul gekannt hatte .«
    Ich schluckte wieder. »Das ist wohl kaum anzunehmen«, sagte ich. »Petr ist sicherlich ein ganz gewöhnlicher Name, meinst du nicht? Genau wie Peter bei uns.«
    Mama nickte. »Natürlich. Ganz richtig. Und im Übrigen, es spielt ja auch keine Rolle, oder ?«
    »Nein. Es spielt überhaupt keine Rolle«, antwortete ich. »Zumindest im Moment nicht.«

NEUNZEHN
    Ein Messingschild mit der Aufschrift »Redaktion« sagte mir, dass ich richtig war.
    Ich klopfte.
    »Herein! «
    Eine Frau stand mit dem Rücken zu mir, als ich die Tür öffnete. Sie drehte sich um und lächelte.
    »Hallo! Was kann ich für dich tun ?«
    »Ich würde gern in eine alte Zeitung schauen«, antwortete ich.
    »Ah ja. Wie alt denn? Von welchem Datum, meine ich ?«
    »Vom 21.Juli 1969 .« Sie lachte leise.
    »Oh. Das ist schon etwas her. Da warst du wohl kaum geplant«, sagte sie lächelnd.
    »Nein«, antwortete ich. »Nicht wirklich.«
    »Na. Selbstverständlich kannst du reinschauen. Warte ein wenig. Ich muss den Schlüssel zum Archiv holen .«
     
    Sie zog ein riesiges gebundenes Buch aus einem der vielen Regale hervor.
    »So, hier ist es«, sagte sie und wies auf das Etikett. »Der Band mit den Ausgaben vom Juli 1969. Ich leg ihn hier auf den Tisch, dann kannst du selbst suchen. Ist das in Ordnung ?«
    »Natürlich. «
    Sie zeigte auf das andere Ende des Raumes.
    »Ich werde einige Artikel kopieren«, sagte sie.
    »Ich bin dort drüben zugange. Sag mir, wenn du fertig bist oder Hilfe brauchst .«
    Es stand eine Menge über die geglückte Mondlandung in den Zeitungen, aber ich überblätterte alle schwarzweißen Satellitenbilder . Dann, auf Seite vier, fand ich die Schlagzeile, die Daniel wieder und wieder gelesen hatte: GEWALTIGER BRAND IN SALTVIK FORDERT TODESOPFER.
    Ich erzitterte und schielte zur anderen Seite des Raumes; hinter einer schmutzigen Glasscheibe konnte ich die Frauengestalt erkennen. Ich fing an zu lesen:
     
    Ein gewaltiger Brand zerstörte gestern
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