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Paul Klee - Die Lebensgeschichte

Paul Klee - Die Lebensgeschichte

Titel: Paul Klee - Die Lebensgeschichte
Autoren: Christiane Weidemann
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einen weiteren Künstler eingeladen, August Macke, der mit seinen dreiundzwanzig Jahren bereits eine beachtliche Karriere vorweisen kann. Paul lauscht interessiert den Erzählungen seiner Studien an der Düsseldorfer Akademie und an einer privaten Kunsthochschule bei Lovis Corinth in Berlin. Als August Macke bei seinen Reisen in die Kunststadt Paris angekommen ist, gerät er regelrecht ins Schwärmen: Eine kleine Gruppe französischer Künstler gäbe es dort, die absichtlich ganz anders malen als bisher üblich! Nicht mehr das Motiv, sondern die Farben bestimmen ihre Bilder, ganz egal, ob sie nun mit der Natur übereinstimmen oder nicht. Seit dem Einfall eines Kunstkritikers, der in der Zeitung abgedruckt wurde, nenne man sie nur noch »Fauves«, die »Wilden«.
    Noch spannendere Entwicklungen beobachtet August Macke jedoch gerade in München. Ob Paul denn noch nicht
davon gehört habe, dass verschiedene Maler gemeinsam ein Jahrbuch über die wichtigsten Kunstrichtungen der Gegenwart herausgeben wollen? Die Idee komme von einem russischen Maler, der übrigens wie Paul in Schwabing wohne.
    Seit beinahe drei Jahren sind Paul und Wassily Kandinsky nun schon Nachbarn, ohne voneinander zu wissen. Louis ist ganz begeistert von Kandinskys Werken. Bei der nächsten Gelegenheit besucht er Paul in München, um sich einige von Pauls Bildern unter den Arm zu klemmen und damit schnurstracks ein Haus weiter in die Ainmillerstraße 36 zu wandern. Es dauert nicht lange, und Louis steht wieder bei Paul vor der Tür, diesmal mit einem nicht weniger beachtlichen Stapel von Kandinskys Bildern in der Hand. Merkwürdige Bilder, findet Paul. Ganz ohne Gegenstand. Das hat er noch nie zuvor gesehen. Und auch wenn es ihm ausgesprochen sonderbar vorkommt – revolutionär ist es allemal!
    Ohnehin hat Paul großen Respekt vor Wassily Kandinsky und seinen ungewöhnlichen Ideen. Kandinsky ist ein vornehmer Mann, dreizehn Jahre älter als Paul, promovierter Jurist und Nationalökonom, der die Kunst als persönliche Befreiung für sich entdeckt hat. Pauls Interesse wächst mit jedem Besuch; auch schätzt er die Arbeiten von Kandinskys Lebensgefährtin Gabriele Münter, die ebenfalls Malerin ist.
    Während Paul seit jeher eher ein grüblerischer Einzelgänger ist, schart sein agiler Nachbar allerlei Gleichgesinnte um sich. Zusammen mit Franz Marc, August Macke, Gabriele Münter und anderen Malern organisiert er derzeit eine Ausstellung, die dem geplanten Jahrbuch vorausgehen soll. Der Titel steht schon fest: »Der Blaue Reiter«, benannt nach einem Bild Kandinskys, auf
dem ein romantischer Held auf einem weißen Pferd querfeldein durch eine Herbstlandschaft reitet.
    Am 18. Dezember 1911 ist es dann soweit: Die Schau wird eröffnet. Dreiundvierzig Werke von vierzehn Künstlern werden in der Galerie Thannhauser gezeigt. Paul geht fasziniert von einem Bild zum nächsten. »Die gelbe Kuh« von Franz Marc – nichts an diesem Bild einer knallgelben Kuh, die einen Luftsprung vollführt, erinnert an herkömmliche Tierdarstellungen! Noch gewagter: Kandinskys »Jüngstes Gericht«, mehr als fünf Quadratmeter groß, in dem es weder bunte Kühe noch sonst einen eindeutig definierbaren Gegenstand gibt, nur frei schwebende Farben, deren Deutung der Fantasie überlassen bleibt.
    Die Presse reagiert allerdings mit wenig Fantasie. Stillos finden die Zeitungen die Werke, als »Hottentotten im Oberhemd« und »Horde farbespritzender Brüllaffen« bezeichnen sie die Künstler. Doch Paul versteht, dass es den Künstlern vor allem darum geht, mit den Bildern Gefühle zu berühren. Sie wollen Farbe und Form befreien; das »realistische« Wiedergeben von Dingen spielt nur noch eine untergeordnete Rolle.
    Auch Paul ist in seinen Bildern auf der Suche nach einem neuen, unverbrauchten, ganz eigenen Ausdruck. Bei der nächsten Ausstellung des »Blauen Reiters« im Januar 1912 ist er mit insgesamt siebzehn Bildern beteiligt. Kurze Zeit später erscheint auch der Katalog, der alle »neuen echten Ideen« der Künstlervereinigung versammelt und neben moderner Kunst auch Kinderzeichnungen und afrikanische Volkskunst präsentiert.
    Vorbei ist es mit Pauls Einsiedlerleben. Über Kandinsky lernt er dessen Landsmann Alexej von Jawlensky kennen, und über diesen wiederum die Baronin Marianne von Werefkin, in deren Salon in der Giselastraße sich die Intellektuellen Münchens versammeln. Besonderen Gefallen findet Paul an dem ruhigen, tiefgründigen und warmherzigen Franz Marc, dessen
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