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Paul Klee - Die Lebensgeschichte

Paul Klee - Die Lebensgeschichte

Titel: Paul Klee - Die Lebensgeschichte
Autoren: Christiane Weidemann
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von der Tierwelt inspirierte Bilder ins Abstrakte führen – neben gelben Kühen malt er auch blaue Pferde, rote Schweine und allerlei bunte Tiere mehr.

    Paul denkt an seine eigenen Bilder. Sicher, seine Zeichnungen sind nicht schlecht gelungen, doch in der Farbgestaltung sind ihm Franz Marc, Kandinsky und all die anderen modernen Maler weit voraus. »Wichtiger als die Natur und ihr Studium ist die Einstellung auf den Inhalt des Malkastens«, schreibt Paul in sein Tagebuch. »Ich muss dereinst auf dem Farbklavier der nebeneinanderstehenden Aquarellnäpfe frei fantasieren können«, lautet von nun an die Aufgabe.
    Reise nach Tunesien
    Was für ein Glück, diese Freundschaft zu Louis Moilliet! Louis ist außerordentlich großmütig zu denen, die er mag. Und er mag, mal abgesehen von den vielen jungen Damen, ganz besonders Paul und August Macke. Großmütig ist Louis deshalb, weil er Paul gönnt, was dieser sich eigentlich nicht leisten kann: eine Reise nach Tunesien. Letzten Dezember hatten die drei Künstler gemeinsam den Entschluss gefasst. Nun versorgt also Paul Louis mit Bildern, während sich Louis um den Verkauf und die Reisefinanzierung kümmert.
    Im April 1914 ist es dann soweit: die Carthage rollt aus dem Hafen von Marseille aus, hinein in den Golf du Lyon. Löwengolf – der Name passt, denn das Küstengebiet ist bekannt für den rauen, gefährlichen Fallwind Mistral. Paul ist das gar nicht geheuer. Vorsichtshalber schluckt er das Zaubermittelchen, das ihm Gabriele Münter in die Tasche gesteckt hat. August amüsiert sich, zückt einen Bleistift und zeichnet seinen Begleiter, wie er mit dem Kopf über der Reling hängt. Schon allein bei der Vorstellung wird Paul ganz schlecht.
    Angesichts der Vorfreude – Afrika! – wird er jedoch bald wieder munter. Während die anderen Passagiere an Deck wegen des
stark schwankenden Untergrunds immer weniger werden, plündern Paul, August und Louis das Büfett im Speisesaal, rauchen gemütlich ihr Pfeifchen, schmieden verheißungsvolle Reisepläne und fallen anschließend in einen tiefen Schlaf.
    Am nächsten Tag ist die afrikanische Küste schon in Sicht. Die Sonne brennt und lässt das weiße Häusermeer von Sidi-Bou-Said leuchten. Es ist die erste arabische Stadt, die sie sehen, gebaut auf einem steil ins Meer abfallenden Bergrücken, mit einem Namen wie ein Gedicht.
    Die Ankunft am Hafen von Tunis fühlt sich abenteuerlich an. In Windeseile krabbeln die Einheimischen wie Ameisen an den Strickleitern der Carthage hinauf, um mit dem Gepäck zu helfen. Die Schiffssirene dröhnt, die Möwen kreischen und stürzen sich kopfüber ins Wasser. Beim Verlassen des Dampfers ist das Gedränge groß, unzählige Menschen eilen über die Gangway und quetschen sich durch die Zollschranke. Und die ganze Zeit schwankt der Boden weiter.
    Am Hafen wartet Doktor Jäggi samt Frau und Töchterchen im Auto. Louis winkt. Doktor Jäggi ist ein Bekannter aus Bern – Chirurg und Geburtshelfer mit einem Faible für Kunst –, der sich in Tunis niedergelassen hat und Louis und Paul bei sich aufnimmt. August bevorzugt das Hotel. Man quetscht sich auf die Hinterbank des Wagens. Jäggi hat einen rasanten Fahrstil, biegt rechts ab und links und wieder links, bis er vor einem Mietshaus zum Halten kommt. Sie betreten ein großzügig geschnittenes Apartment. Der Koch, ein Farbiger, hat bereits das Abendessen zubereitet – köstlich! Jäggi erzählt von seiner Sehnsucht nach der Schweiz, während Paul die Fragezeichen ins Gesicht geschrieben stehen: Wieso an »Wirtshus« und »Chirche« denken, wenn einem der Orient zu Füßen liegt?

    Am nächsten Tag gehen die drei Maler auf Entdeckungstour, durch die Souks der Altstadt, wo die Händler ihre Ware feilbieten: Zinnfiguren und archaische Waffen neben geknüpften, geknoteten und gewebten Teppichkunstwerken, wo man auch hinschaut. August ist eifrig am Feilschen und freut sich ein Loch in den Bauch, wenn er den Preis herunterhandeln kann.
    Weiter geht’s über den Gemüsemarkt und durch die Fleischhallen. Hin und wieder treffen sie auf Horden grölender Matrosen, die an Land das schnelle Glück suchen. Dazwischen vereinzelt gut gekleidete Schnurrbartträger, die sich als die großen Herren aufspielen – meist Franzosen. Seit mehr als dreißig Jahren ist Tunesien nun französisches Protektorat.
    Paul ist erfüllt von den vielen Eindrücken der Stadt, die sich so fremd und vertraut zugleich anfühlt. Fast scheint es ihm, als hätte er hier schon einmal
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