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Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter

Titel: Paul Flemming 02 - Sieben Zentimeter
Autoren: Jan Beinßen
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jetzt den Laden. Trauen Sie ihm das zu?«
    Der Gemüsebauer schaute Paul mit einem Anflug von Argwohn an. »Ja«, sagte er entschieden. »Wiesinger mag privat nicht den besten Ruf haben, aber er ist ein guter Geschäftsmann. Wissen Sie, er ist Diplomkaufmann, kein Metzger. Trotzdem kennt er sich in der Produktion sehr gut aus. Und er hat es geschafft, innerhalb der letzten drei Jahre den Umsatz beinahe zu verdoppeln und gleichzeitig die Personalstärke zurückzufahren.« Bewunderung schwang in seiner Stimme mit.
    Paul malte sich aus, dass die beiden Yuppi-Junioren wahrscheinlich in ihrer Freizeit zusammensaßen und mit ihren Erfolgen prahlten.
    »Bei allem Mitgefühl wegen des Todes von Hans-Paul Wiesinger: Andi hat jetzt endlich freie Bahn. Er muss sich nicht länger wegen jeder Kleinigkeit vor seinem alten Herrn rechtfertigen.« Der junge Gemüsebauer spielte wohl auf seine eigene Situation an, als er hinzufügte: »Wenn man die Geschäfte im Grunde schon selbst führt, aber ständig jemanden im Nacken sitzen hat, der alles besser zu wissen glaubt, kann ein harter Schicksalsschlag auch eine Erlösung sein.«
    »Sie meinen, sein Vater konnte nicht loslassen?«
    Der junge Mann nickte. »Hans-Paul Wiesinger galt als ziemlich stur, wenn es nicht nach seinem Kopf ging. Entsprechend schwierig waren die Familienverhältnisse.«
    Bei dem Wort Familienverhältnisse fiel bei Paul der Groschen: Er erinnerte sich vage an eine wilde Geschichte aus dem Wiesinger-Klan. Sie mochte inzwischen gut fünfzehn Jahre zurückliegen. Wenn nicht sogar länger. Hans-Paul und seine Frau hatten sich damals völlig überraschend getrennt. Zunächst hatte dieser Bruch allen Kennern der feinen Gesellschaft Rätsel aufgegeben. Erst allmählich war durchgesickert, dass das Paar wohl in angetrunkenem Zustand aneinandergeraten war. Angeblich hatte Wiesinger seine Frau im Salon der Villa mit einer Pistole bedroht. Ein Schuss löste sich, und eine Kugel bohrte sich in eine der griechischen Säulen. Frau Wiesinger verzichtete seinerzeit auf eine Anzeige, und der Hausanwalt regelte den Rest, damit die Staatsanwaltschaft nicht aktiv werden konnte. Auch die Presse hielt still; alles drang nur in Form von nicht druckfähigen Gerüchten an die Öffentlichkeit. Frau Wiesinger zog unmittelbar nach diesen Vorfällen nach Baden-Baden, wo sie seitdem residierte. Äußerst komfortabel ausgestattet mit einer jährlichen Garantiedividende aus den Unternehmenserlösen auf Lebenszeit.
    Seitdem war es ruhig geworden um das Privatleben des alten Wiesinger – er hatte den Skandal ganz einfach ausgesessen. Dagegen sorgten die amourösen Eskapaden seines Sohnes umso häufiger für Schlagzeilen, was den Vater gewurmt haben musste, denn ein unsolides Privatleben vertrug sich ganz und gar nicht mit dem bodenständigen Image eines Rostbratwurstproduzenten.
    Paul fröstelte erneut, und er suchte nach dem Tor. Als der Junior auf sein Ansinnen aufmerksam wurde, lächelte er und zog eine kleine Fernsteuerung aus seinem Kittel. »Sesam öffne dich«, sagte er.
    Dankbar trat Paul ins Freie. Er lehnte sich an die Motorhaube des Lieferwagens und dachte über den Fall Wiesinger nach. Gab es inzwischen neue Ermittlungsergebnisse? Einer spontanen Eingebung folgend griff er nach seinem Handy und tippte Blohfelds Büronummer ein.
    In der Redaktion meldete sich eine junge Frau. Nein, sagte sie, Herr Blohfeld sei nicht zu sprechen. Er führe gerade ein Vorstellungsgespräch mit einer neuen Praktikantin.
    Das ging aber schnell, dachte Paul. Sogar verdächtig schnell. Dennoch freute er sich für Antoinette. Er bedankte sich für die Information und wollte schon die Abbruchtaste drücken, als die auskunftsfreudige Mitarbeiterin preisgab, dass Blohfeld dieses Gespräch nicht in seinem Büro, sondern im Café Central in der Augustinerstraße führte.
    Im Central?, fragte sich Paul erstaunt. Was suchte der alte Haudegen Blohfeld in dieser Schickimicki-Bar? Sehr schnell zählte er dann aber eins und eins zusammen. Blohfeld war gut zehn Jahre älter als er – allerdings auch um einiges skrupelloser. Was versprach sich der Boulevardreporter von dem Ausflug ins Szeneleben mit der schönen Antoinette an seiner Seite?
    Neugierig tippte Paul Blohfelds Handynummer ein. Er wartete, bis die Verbindung endlich stand. Es tutete ein Mal, es tutete zwei Mal. Nach dem dritten Mal reagierte Blohfeld – allerdings anders, als Paul erwartet hatte.
    Fassungslos starrte er auf das Display seines Telefons.
    »Er
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