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Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille

Titel: Paul Bremer - 07 - Schrei nach Stille
Autoren: Anne Chaplet
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DeLange hätte es getan, wenn er noch gekonnt hätte. Ohne Erinnerung sein war Sterben mitten im Leben. Andererseits – es gab auch Erinnerungen, auf die man verzichten konnte. Er spürte den vertrauten Schmerz anklopfen.
    »Diese Methode jedenfalls garantiert einen schönen Tod.« Karen setzte den Blinker.
    Hoffentlich war das da vorne kein Ossi mit Minderwertigkeitskomplex. Einer von denen, die noch was nachholen müssen. Die sich auch beim Autofahren platt gemacht fühlen und deshalb stur weiter links fahren.
    »Jo, meinst du nicht, du solltest lieber …«
    Darüber reden? Nein. »Woher weißt du das mit dem schönen Tod?«
    Wann sie angefangen hatten, sich zu duzen, wußte er nicht mehr genau. Irgendwann, nachdem die Nachricht gekommen war, daß es Feli schlechtging.
    »Alle, die kurz vorm Erfrieren waren …«
    »… empfehlen diese Methode, ich weiß.« Tatsächlich: ein »Dir zeig ich’s« -Ossi. Der Toyota blinkte rechts und blieb links.
    »Wahrscheinlich hat sie sich vorgenommen, rechtzeitig zu gehen, bevor sie vergessen würde, wie man es am geschicktesten anstellt.«
    Überhol ihn meinetwegen rechts, Karen, aber feg ihn weg.
    »Ich meine: Wer schreibt sich schon auf, wie man sich am besten umbringt?«
    DeLange spürte, wie sich in seinem Kopf etwas verschob und neu ordnete. In diesem Moment zog der Toyota endlich nach rechts. Aber statt daß sie Gas gab, zog Karen ebenfalls auf die rechte Spur.
    Bitte, dachte DeLange, bitte, Karen. Ich will noch rechtzeitig ankommen. Ich will ihre Hand halten, wie ich damals die Hand meiner Mutter gehalten habe. Ich will Flo und Caro holen, ich will …
    Er spürte, daß ihm der Schweiß ausbrach, und verbot sich jeden weiteren Gedanken an das, was ihn erwartete. Beim Thema bleiben.
    »Ich glaube nicht, daß sie an Selbstmord denkt, weil sie ihr Gedächtnis zu verlieren droht.« Langsam, DeLange, dachte er, als Karen zu ihm herüberblickte, skeptisch. »Eher im Gegenteil.«
    »Versteh ich nicht.«
    »Im Gegenteil: weil sie ihr Gedächtnis wiedererlangt hat.«
    »Hmmmm?«
    »Sie hat sich daran erinnert, wie es wirklich war, in der Nacht, in der Alexandra Raabe verschwand.« Je skeptischer sie reagierte, desto mehr überzeugte ihn seine Idee.
    »Und wie war es wirklich?« Karen, spöttisch.
    DeLange hatte die Szene vor Augen: Luca. Geschminkt. In Frauenkleidern. Ein schöner Junge, lange blonde Haare, fast so schön wie Alexandra Raabe. Sophie schüttelt ihn. Er stürzt. Schlägt mit dem Kopf auf. Sie glaubt, daß er tot ist. Und in diesem Augenblick fällt ihr wieder ein, was damals geschah.
    »Das weiß nur einer. Charles. Dr. Karl-Heinz Neumann-v. Braun.« Karen bremste. DeLange stemmte sich gegen das Handschuhfach. Dann scherte sie aus, wieder auf die linke Spur, und gab Gas. Er lehnte sich zurück. Endlich.
    »Und du willst seinen Skalp?« Spöttisch. Schon wieder.
    »Ja.«
    »Giorgio.«
    »Ja?«
    »Wir werden nie erfahren, was damals passiert ist.« Eine Stimme, weich wie Butter. DeLange sah zu ihr hinüber. Er kannte sie noch nicht gut genug, aber er ahnte, daß man sich vor dieser Sanftheit in acht nehmen mußte. Er mochte sie von Stunde zu Stunde mehr. Wenn nur Feli nicht stirbt …
    Aus. Wage es nicht, daran auch nur zu denken.
    »Außerdem nützt es niemandem mehr. Saschas Eltern sind tot. Wem hilft es, wenn du dir an Neumann-v. Braun die Zähne ausbeißt?«
    »Er weiß, was damals passiert ist. Und er ist der einzige, der es noch erzählen kann. Und ich will es wissen, verdammt noch mal. In allen Einzelheiten.« DeLange spürte den Schmerz in seinen Händen, bevor er sah, daß er die Fäuste geballt hatte und sich die Fingernägel in seine Handflächen gebohrt hatten.
    »Giorgio. Jo.«
    »Hör mir zu, Karen.« Er beugte sich vor. Sie fuhr langsamer, viel zu langsam, aber das war ihm jetzt egal. »Sophie Winter schreibt in ihrem Buch, Sascha sei von einem Mob aus dem Dorf zu Tode gehetzt worden. Charles behauptet, Sascha sei direkt nach dem freundlichen Besuch von ein paar Schwergewichten, bei dem er sich eine blutige Nase geholt hat, weggegangen. Damals aber …«
    »Sicher, Jo, ich verstehe schon …«
    »Damals hat er ausgesagt, sie sei erst am Morgen danach gegangen.«
    »Und was beweist das?«
    »Der Notarzt berichtet nur von den Verletzungen, die Charles und Angel erlitten haben. Im Polizeiprotokoll ist von ›dem‹ Mädchen die Rede, nicht von ›den‹ Mädchen.«
    »Ich weiß, ich kenne deine Beweisführung.« Karen fuhr langsamer und dann rechts ab,
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