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Patterson James

Patterson James

Titel: Patterson James
Autoren: Gruene Weihnacht
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Länge ausgetragenes Turnier gewonnen hat und vor einem halben Jahr
noch mittelmäßige Werbesprüche produzierte. Als Floyd zu
seinem Putt antrat, musste er sich gegen größeren Druck zur
Wehr setzen, als irgendeine halbwegs ehrgeizige Psyche jemals
verkraften kann.
Doch falls Raymond die Belastung spürte, lies er sich jedenfalls nichts anmerken. Er stolzierte, wie ich es schon so oft zuvor im Fernsehen gesehen hatte, mit forschen, eifrigen, kleinen
Schritten zu seinem Ball, pflanzte seine Füße fest auf den Boden, bis er den richtigen Stand hatte, und ließ, wobei seine
Lippen sich leicht kräuselten, den Blick zwischen Ball und
Loch hin und her wandern, als ob er sich nicht entscheiden
könne, welches von beiden Objekten nun das größere Arschloch war.
Er sah gefasst und konzentriert und vollkommen unerschütterlich aus – wie ein Berufskiller, der in aller Ruhe seinen Geschäften nachgeht. Dann verzog er den Zwei-Meter-Putt so
krass nach links, dass er gut eine Handbreit am Loch vorbeiging.
Plötzlich waren Sarah, Simon, Noah und Elizabeth in meinen
Armen. Ich vollführte einen Freudentanz mit Pop und mit Earl,
und ich glaube, schließlich hielt Earl uns alle in den Armen. Ich
schüttelte Raymond Floyd und Jack Nicklaus die Hand, und
dann gab ich den Ball, der mich zum Sieg geführt hatte, meinem Großvater zurück. »Danke für die Leihgabe, Pop«, schrie
ich über das ganze Getöse hinweg. »Schlag den bitte bloß nicht
in irgendeinen See.«
»Keine Sorge«, erwiderte er und strahlte dabei noch mehr als
sonst. »Den nehme ich nur zum Chippen.«
Und irgendwo im Keller des Clubhauses von Pebble Beach
machte sich ein einsamer Goldschmied an die Arbeit, »T. McKinley« auf einen ziemlich großen silbernen Pokal zu gravieren.

EPILOG
NACH DEM WUNDER
Z
wei Monate später.
    Zwei Uhr morgens.
Ein Traum weckt mich aus tiefem Schlaf, und ich setze mich
in einem großen Eichenholzbett auf, in dem ich mich seltsamerweise zum allerersten Mal richtig wohl fühle.
Sobald sich meine Augen an das Mondlicht gewöhnt haben,
wandert mein Blick durch ein Zimmer, das mir einerseits vertraut, andererseits völlig neu erscheint. An der einen Wand
befindet sich eine alte Holztruhe, die ich von meinem Urgroßvater geerbt habe, an der anderen Wand eine Frisierkommode,
die Sarah von ihrer Großmutter bekommen hat; in die Türchen
sind Blumenmuster eingearbeitet und oben drauf steht ein
großes, lackiertes Tablett mit Schildpattkämmchen und einem
Paar antiker, russischer Silberarmreifen, die Sarah seit nunmehr zwanzig Jahren trägt.
Obwohl ich nur sechs Monate weg war, kann ich mir problemlos vorstellen, wie Odysseus sich nach seiner zehnjährigen
Irrfahrt durch die Welt gefühlt haben muss, als er endlich
wieder bei Penelope zu Hause war.
Vorsichtig, um Sarah nicht zu wecken, die, den Hauch eines
Lächeln auf den Lippen, mir zugewandt auf der Seite liegend
schläft, schlüpfe ich aus dem Bett und wandere durch unser
altes Haus, das mein Großvater zusammen mit nur einem Arbeiter in dem Jahr gebaut hat, als ich zur Welt kam.
Obwohl Elizabeth nun schon seit sechs Jahren nicht mehr zu
Hause wohnt, gehe ich zuerst in ihr Zimmer. Mit den verblassten Postern von Rockstars, die immer noch an den Wänden hängen, und den Stofftieren wirkt es, als wäre hier die Zeit
stehen geblieben – ein Teenager-Zimmer, zirka 1984. Die ernste, stets tadellose Elizabeth, die uns in all den siebenundzwanzig Jahren nicht ein einziges Mal Anlass zur Sorge gab.
War sie überhaupt je ein Teenager, oder begab sie sich direkt
von der Kindheit in die Radiologie? Es kommt mir so vor, als
ob ich über Elizabeth weniger weiß als über meine anderen
Kinder. Gleich morgen werde sie ich anrufen und einen Besuch
in New Haven ausmachen, um das zu ändern.
Dann strecke ich den Kopf in Simons Zimmer. Er liegt friedlich ausgestreckt da mit seinen drei Ringen im Ohr, und sein
ein Meter neunzig langer, schlanker Körper hängt über die
Ränder des zehn Jahre alten Jugendbetts heraus. Man kann
nicht eins seiner Kinder mehr als die anderen lieben, und ich
schwöre bei Gott, dass ich das nicht tue. Aber ob es mir gefällt
oder nicht, in Simon sehe ich mich selbst, und ich fühle mich
ihm im Herzen so nahe, dass ich gar nicht erst eine Verbindung
zu ihm herstellen muss. Sie ist ganz von selbst da.
Neben ihm liegt, wie ein treuer, kleiner Hund oder vielleicht
eher wie ein nicht zu unterschätzender Wachhund, den überdimensionalen Kopf mit dem braunen Haarschopf auf
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