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Passwort in dein Leben

Passwort in dein Leben

Titel: Passwort in dein Leben
Autoren: Katrin Stehle
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keinen Fall hier im Dunkeln sitzen oder gar schlafen. Meine einzige Chance ist, wach zu bleiben. Wieder dieses Rascheln in der Ecke. Ich habe einmal gelesen, dass Ratten Babys angeknabbert haben. Angeblich machen sie das, weil in den Mundwinkeln der Babys noch Essensreste zu finden sind. Wer weiß, wann diese Ratten hier zuletzt gefressen haben.
    Ich starre in die Ecke hinüber, meine, etwas am Boden entlanghuschen zu sehen. Es kommt näher. Trippeln. Ich starre auf das Salamibrot. Und dann packe ich es, werfe es, so weit ich kann, in die Ecke. Etwas fiept. Aber sehen kann ich nichts mehr.Vielleicht sind noch Krümel irgendwo auf der Matratze oder auf dem Boden? Ich beiße die Zähne zusammen, schüttle beides aus und trage es so weit, dass es zwar noch ein großes Stück von der Wand weg, aber doch nicht mehr in Reichweite des alten Platzes ist. Die Kerze nehme ich auch mit. Ein wenig Wachs tropft herunter, mir direkt auf den Finger. Es tut ziemlich weh. Ich schüttle meinen Finger, höre mich selbst wimmern. Da fällt mir ein, dass ich die Streichhölzer liegen gelassen habe. Vorsichtig nehme ich die Kerze hoch, schütte das flüssige Wachs auf den Boden und trage sie zur alten Stelle hinüber. Sie stecken in einer Ritze und sind voller Dreck. Schnell schiebe ich die Schachtel in meine Hosentasche, damit ich sie griffbereit habe, für alle Fälle.
    Erst als ich mich wieder hingesetzt habe, fällt mir auf, dass meine Aktion vielleicht doof war, dass ich nun vermutlich ein paar Minuten Licht einfach so auf den Boden gegossen habe. Zu spät.
    Jetzt nur noch meinen Mund ausspülen und in den Eimer spucken, wegen der Semmelreste. Ich bin zwar kein Baby, aber sicher ist sicher. Der Eimer stinkt jetzt schon widerlich.
    Ich muss die Zeit nutzen, mir einen Plan machen. Vermutlich war es gar nicht so schlecht, ihm in allem recht zu geben. Mich zu entschuldigen. Allerdings weiß ich wirklich nicht, wofür ich um Verzeihung bitten soll. Dafür, dass ich nicht in ihn verliebt bin? Dafür, dass ich ihn immer merkwürdig fand? Er ist schließlich auch komisch.
    Kurz nur war ich so verzweifelt, dass ich ihm vertraut habe. Weil er mir als Einziger scheinbar geglaubt hat, dass nicht ich hinter den Filmen stecke. Ist ja auch logisch, wenn er es war …
    Und jetzt möchte er, dass ich sage, ich habe esverdient, dass mich nun alle hassen und für gestört halten?
    Wie kann es sein, dass Clara so normal ist, wenn er so spinnt? Ob so was angeboren ist? Oder liegt es daran, dass Clara immer Tatjana hatte und er bei seiner Großmutter aufgewachsen ist?
    Ich muss ihn irgendwie dazu bringen, mich freizulassen.
    Egal, was dann ist.
    Natürlich nicht ganz. Ich hoffe, ich werde nicht wie Marion.
    Ich merke, dass ich zittere, dass meine Beine unkontrolliert hin und herwackeln. Mit den Armen versuche ich, sie festzuhalten. Tränen strömen mir über das Gesicht. Ich will nicht hier sterben! Will überhaupt nicht sterben! Ich muss hier raus! Unbedingt. Ich bekomme keine Luft mehr! Alles ist stickig und eng. Meine Brust viel zu klein. Ich merke, wie mein Atem immer schneller geht, zu pfeifen beginnt. Ich muss aufhören, sonst ersticke ich. Langsamer atmen. An etwas Schönes denken, gegen die Panik …
    Ich werde rauskommen, werde irgendjemanden finden, der mir glaubt.
    Was ist eigentlich mit Marco? Heißt er nun wirklich Mario? War er wirklich in der Psychiatrie wie Ralf? Sicher ist diese Geschichte gelogen, nur um mich auf eine falsche Fährte zu bringen.
    Ich schlucke, irgendwie will mir nichts Schöneseinfallen. Aber zum Glück hat sich mein Atem ein wenig beruhigt. Ich bin plötzlich müde, fühle mich wie nach einem Langstreckenlauf.
    Vermutlich lande ich in der Psychiatrie. In einer geschlossenen Station. Alle tragen irgendwelche Kittel und die anderen Mädchen starren mich mit leeren Augen an. Sie füttern mich mit Medikamenten, von denen ich ganz apathisch werde und vergesse, wer oder wie ich eigentlich bin. Vielleicht fange ich an, von Gott zu reden, wie Marion. Wenn ich mal einen lichten Moment habe, sage ich, dass ich gar nichts dafürkann, dass das eine total kranke Racheaktion war, weil ich mich nicht in Ralf verliebt habe. Weil dieser sich in seinem irren Kopf eingebildet hat, dass ich für ihn bestimmt sei, und er Liebe mit Besitz verwechselt. Ich sehe mich selbst in einem grauen, verwaschenen Kittel vor einem Arzt stehen und ihm meine Geschichte erzählen. Er nickt, sagt aber nichts. Einen Moment lang sieht er mich an und da ist so
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