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Partnerschaft und Babykrise

Partnerschaft und Babykrise

Titel: Partnerschaft und Babykrise
Autoren: Wolfgang Schmidbauer
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Frau gebunden, die ganz genau so ist, wie sie es sich vorstellen, die kein anderes Liebesobjekt, keine anderen Interessen kennt als sie? Dann würde auch die verzweifelte Wut angesichts des Verdachts verständlich, die Frau habe sich auf den Sexualakt nur deshalb eingelassen, um dem Mann »ein Kind anzuhängen!« Sie wird nicht als Frau wahrgenommen, die eigene Interessen verfolgt, sondern als Verräterin an einem Versprechen. Folgerichtig wird auch der Psychologe, der
Verständnis für solche Tricks zeigt, zu einem Verräter am männlichen Geschlecht.
    Jede Liebe trägt einen radikalen Anspruch in sich. Der Partner darf niemals lügen. Wenn Verliebte erwarten, dass zwischen sie wie zwischen die Steine einer frühgriechischen Tempelmauer keine Messerklinge passt, wird jede Lüge unverzeihlich. Und doch täuschen und enttäuschen sich Liebende oft genug. Manche können es sich verzeihen und glücklich zusammen alt werden, anderen gelingt das nicht.
    So mag es der Empathie der Liebenden dienen, wenn wir die schlichte Zweiteilung von guter Wahrheit und böser Lüge aufgeben. Es gibt eine liebevolle Lüge und eine lieblose, einen Betrug, in dem der Betrogene anständig behandelt wird und einen, in dem das nicht geschieht. Annemarie in dem Beispiel hat Klaus liebevoll betrogen, er hat das gespürt und so konnten die beiden zusammen weitergehen.
    Triangulierung und innerer Raum
    Der 46-jährige Oberstudienrat klagt über Konflikte mit seiner Ehefrau, einer Krankengymnastin in eigener Praxis. Er habe es satt, Vorwürfe zu hören, sobald etwas mit dem einzigen Sohn Leo nicht klappe, der gegenwärtig die dritte Klasse besucht.
    Dabei hätten sie sich sehr gut verstanden, solange sie zu zweit waren; es hätte nie ein Problem damit gegeben, dass sie aus so unterschiedlichen Familien kämen –, sie von einem kleinen Bauernhof mit vielen Geschwistern, er aus einem städtischen Akademikerhaushalt. Im Gegenteil, er habe das handwerkliche
Geschick und den praktischen Verstand seiner Frau immer sehr geschätzt.
    Seit der Sohn in der Schule sei, habe sich das geändert. Ein Beispiel? Da habe er viele. Erst heute habe seine Frau verschlafen und sei zu spät zum Frühstück gekommen. Schon vorher, noch im Nachthemd, habe sie von Leo verlangt, noch Geige zu üben, ehe er in die Schule gehe, er habe das gestern versäumt, und die Stunde sei doch heute. Als sie dann die beiden Männer gemütlich frühstücken sah und es zu spät war, die Geige noch auszupacken, habe sie gezetert, er kümmere sich um nichts und habe nicht dafür gesorgt, dass Leo die teueren Geigenstunden nicht ganz umsonst mache.
    Oder, eine ganz ähnliche Szene: Er lese jeden Abend etwas vor, setze sich an Leos Bett, es sei immer ein Buch, das sie beide interessiere. Leider habe ja Leo spontan keine Lust, nach einem Buch zu greifen, er sei mit Mickey-Maus-Heften glücklicher.
    Da habe doch tatsächlich neulich seine Frau ganz giftig gesagt, wenn das Kind nicht von sich aus lese, läge das nur an seiner Vorleserei! So was von ungerecht und unangemessen, da müsse er sich doch wehren und sich das verbitten, und es sei schon wahr, dass er dann tagelang sauer sei und sie abblitzen lasse, wenn sie am Abend wieder gut sein wolle.
    Er habe den Eindruck, dass sich seine Frau ausgeschlossen fühle, wenn er sich mit dem Jungen verstehe. Dabei würde er sich doch auch oft ausgeschlossen fühlen. Und diese Vorwürfe, dass er sich zu wenig um die Erziehung kümmere und den Stress ganz ihr überlasse, das sei doch wirklich ungerecht und nicht zu verstehen. Schließlich sei die Mutter schon jetzt manchmal durch die Rechenaufgaben überfordert. Er werfe ihr das nicht vor.
    Ähnlich wie manchmal die bürgerliche Ehefrau eines Barons viel mehr auf Wappenring und Etikette achtet als dieser selbst, fühlt sich die bildungsarme Ehefrau des Oberstudienrats verpflichtet, dessen pädagogische Ideale auch dort strikt durchzusetzen, wo er es gemütlich haben will. Sie projiziert eigene Ängste und entwertet ihn prophylaktisch.
    Wenn an dem Sohn irgendetwas auffällt, was ihren Erwartungen widerspricht, dann ist auf jeden Fall der Vater schuld. Die heftigen Kränkungen des Vaters über diese Ungerechtigkeit verschärfen den Konflikt. Leos Mutter fürchtet, dass ihr Mann sie für eine schlechte Ehefrau hält, die seinen Ansprüchen nicht genügt. In ihrem Wunsch, ihm zu beweisen, wie sehr sie sich bemüht, gefährdet sie die erotische Bindung, welche früher half, die sozialen Gegensätze nicht nur
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