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Pariser Bilder

Pariser Bilder

Titel: Pariser Bilder
Autoren: Marcel Jouhandeau
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Klirren und den Schimmer, die sie verbreitet, während sie wie jeden Sonntagabend von einer Tür zur andern wandelt. Sie sieht niemanden, und jeder ahnt die Prozession, die vor ihr herund hinter ihr dreinzieht. Aber wohin bloß geht diese Frau zwischen all denen, die sie war und die sie sein wird?

    Die Lumpensammlerin

    In dem verschwiegensten Winkel der Rue Berton, auf einer Stufe vor einer grün angestrichenen Gartentür sitzend, empfängt einen eine alte Frau, wie verloren in der Flut ihrer Haare, weißer als der Schnee, die sie unablässig wäscht und bürstet, wie eine Sklavin das Haar einer Königin pflegt. Eines Tages beglückwünschte ich sie zu der Fülle ihres Haares und zu der Pflege, die sie ihm angedeihen ließ. – »So gibt es doch noch jemand, trotz meiner siebzig Jahre, der merkt, daß ich etwas auf mich halte, auch wenn ich in Lumpen gehe«, sagt sie und zeigt mir ihr Fläschchen mit Salmiakgeist und ihren eisernen Kamm, »und Sie, Monsieur, freut es, mich mit einem so sauberen Kopf zu sehen? Schönen Dank. (Sie weint.) So lange ist das schon her, daß es keinem mehr auffällt, wie ich mich schönmache.«

    Quartett

    4. Juli, Quai de la Tournelle. – Ganz nahe am Wasser haben ein alter Ehemann und die beiden Liebhaber seiner Frau sich ausgestreckt. Nur der Günstling schläf, ein hübscher, noch jugendlicher Araber. Die beiden andern wollen sich ohne weitere Umstände über die Flasche hermachen, die die Frau unter ihrem Rock hervorholt. – »Weck ihn auf!« herrscht sie den Graukopf an, aber der andere wehrt ab: »Wer schläf, trinkt«. – »Ja, wozu ihn stören?« murmelt sie, und indem sie sich zu ihrem Schatz hinabbeugt, hebt sie seinen Kopf hoch und flößt ihm den Rotwein behutsam zwischen die Lippen. Welche Dankbarkeit liegt in dem schwarzen Blick, den der Schläfer bei dieser unerwarteten Erfrischung aus halboffenem Auge ihr zuschickt! Die roten Tropfen rieseln in Schauern über seine völlig nackte Brust bis zum Nabel. Nun machen die beiden andern, die sich gefoppt fühlen, mehr und mehr gemeinsame Sache; wie sie aufstehen, um auch ihr Teil zu fordern, ist die Flasche leer. – »Und du?« fragt der Ehemann ganz verdutzt, doch ohne die Antwort abzuwarten, hat sich der dritte schon auf den Araber gestürzt und ihn mit einem einzigen Fausthieb fast erschlagen, ehe sie alle vier sich schlafend stellen, jeder über seinem besonderen Zorn brütend. – »Warum nur«, fragt der Araber das Schicksal, »ist dieser plötzliche Regen von Liebkosungen und Schlägen auf mich Armen niedergegangen?« Der Ehemann indessen genießt seinen Triumph zwischen den beiden Kumpanen, die sich, indem sie einander quälen, seiner Rache angenommen haben, als ob der Mann, dessen Frau einen Liebhaber nimmt, nur noch den einen Wunsch zu haben brauchte, sie einen zweiten nehmen zu sehen.

    Fastnachtsprinzessin

    4. Juli. – Aus einem der zwölf Beutel, die rings an ihrem Gürtel hängen, hat sie allerlei bestickten Flitter hervorgezogen, den sie nun wie lauter Symbole um sich verteilt, bevor sie auf einen Lappen ihren Ellbogen, auf einen anderen ihr Haupt, auf einen dritten ihre beiden Füße stützt.
    Fastnachtsprinzessin war sie für einige Stunden in ihrer Jugend, und das bleibt sie, am Wasser im Abend ruhend, geschmückt mit ihren Läusen, ihren Wunden, falschen Preziosen und einigen bunten Samtund Taffetfetzen. Bei der geringsten Bewegung, die sie macht – selbst im Schlaf noch erfahren in der Kunst zu gefallen –, verschiebt sich ihr Gewand mit seltener Anmut und gibt dem lüsternen Blick eine nackte Schulter preis.

    Schnappschuß

    Von seinen Ersparnissen hat der kleine Bruder gestern einen Photoapparat gekauf, und heute am Sonntagvormittag führt er seine Mutter und seine Schwester in den Bois de Boulogne, um sie zu photographieren. Die Zeremonie gleicht einer Hinrichtung. Alle drei, vor allem Mutter und Tochter, sind so häßlich und so traurig, daß es Aufsehen erregt. Alles versammelt sich rings um sie im Kreis und wartet darauf, daß geknipst wird. Und zu der Scham, daß sie beide da so häßlich und so traurig vor der Kamera stehen, gesellt sich noch der Schmerz darüber, so vielen Blicken zu einem Schauspiel zu dienen, und schließlich lassen sie alles über sich ergehen und geben dem beleidigenden Apparat nach, der ja nur darauf aus ist, die Erinnerung an ihre Häßlichkeit, an ihre Traurigkeit und an diese Minute feierlicher Verstörung festzuhalten.

    Paar

    Ein distinguierter Mann
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