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Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben
Autoren: Ernest Hemingway
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Schornsteine des hohen Hügels unseres Viertels blicken konnte. Der Kamin in dem Zimmer zog gut, und es war warm und angenehm zum Arbeiten. Ich brachte in Papier eingepackte Mandarinen und geröstete Kastanien hinauf in das Zimmer, und wenn ich hungrig war, aß ich die gerösteten Kastanien und schälte und aß die kleinen mandarinenartigen Orangen und warf die Schalen ins Feuer und spuckte die Kerne ins Feuer. Ich war immer hungrig vom Gehen und von der Kälte und vom Arbeiten. Oben im Zimmer hatte ich eine Flasche Kirschwasser, die wir aus den Bergen mitgebracht hatten, und ich trank immer einen Schluck Kirsch, wenn es dem Ende einer Story oder dem Ende meiner Tagesarbeit zuging. Wenn ich die Arbeit des Tages hinter mir hatte, legte ich das Notizbuch oder das Papier weg in die Tischschublade und steckte die noch übriggebliebenen Mandarinen in die Tasche. Sie gefroren, wenn man sie über Nacht im Zimmer Heß.
    Es war wunderbar, die vielen, vielen Treppen hinunterzugehen mit dem Bewußtsein, daß ich bei der Arbeit Glück gehabt hatte. Ich arbeitete immer, bis ich etwas geschafft hatte, und ich hörte immer auf, wenn ich wußte, wie es danach weitergehen würde. Auf die Art war ich sicher, am nächsten Tag weitermachen zu können. Aber manchmal, wenn ich mit einer neuen Story begann und ich sie nicht in Gang bringen konnte, setzte ich mich vors Feuer und preßte die Schalen der kleinen Orangen über den Flammenspitzen aus und beobachtete das blaue Sprühen, das sie machten, oder ich stand da und blickte über die Dächer von Paris und dachte: Mach dir keine sorgen. Bisher hast du immer geschrieben, und jetzt wirst du auch schreiben können. Alles, was du tun mußt, ist, einen wahren Satz schreiben. Schreib den wahrsten Satz, den du weißt. So schrieb ich schließlich einen wahren Satz hin, und von da aus machte ich weiter. Damals war das leicht, denn es gab immer einen wahren Satz, den ich wußte oder den ich gelesen hatte oder den ich jemand hatte sagen hören. Wenn ich anfing, sorgsam ausgearbeitete Sätze zu schreiben oder zu schreiben wie jemand, der etwas einleiten will oder darstellen möchte, fand ich, daß ich die Schnörkel oder Verzierungen wegschneiden und fortwerfen konnte und mit dem ersten, wahren einfachen Aussagesatz, den ich geschrieben hatte, anfangen konnte. Oben in jenem Zimmer beschloß ich, über jede Sache, über die ich Bescheid wußte, eine Story zu schreiben. Das versuchte ich beim Schreiben die ganze Zeit über, und es war eine gute und strenge Disziplin.
    In diesem Zimmer war es auch, wo ich lernte, von dem Augenblick an, in dem ich mit Schreiben aufhörte, an nichts, worüber ich schrieb, zu denken, bis ich am nächsten Tag wieder anfing. Ich hoffte, daß mein Unterbewußtsein daran arbeiten und ich gleichzeitig anderen Leuten zuhören und alles beobachten würde; ich hoffte auf diese Weise zu lernen, und ich pflegte zu lesen, um nicht an meine Arbeit zu denken und mich für sie unfähig zu machen. Wenn ich gut gearbeitet hatte - und dazu brauchte man Glück sowohl wie Disziplin-, war es ein wunderbares Gefühl: die Treppe hinunterzugehen, und dann war ich frei und konnte irgendwo in Paris umherwandern.
    Wenn ich nachmittags durch verschiedene Straßen zum Jardin du Luxembourg hinunterwanderte, konnte ich durch den Park schlendern und dann ins Musée du Luxembourg gehen, wo die großartigen Bilder waren, von denen jetzt die meisten in den Louvre und ins Jeu de Paume gebracht worden sind.
    Ich ging fast jeden Tag wegen der Cézannes dorthin und um die Manets und die Monets und die anderen Impressionisten zu sehen, über die ich zuerst in Chicago im Art Institute etwas gehört hatte. Von der Malerei von Cezanne lernte ich, daß das Schreiben einfacher, wahrer Sätze bei weitem ntcht genügte, um den Stories die Dimensionen zu geben, die ich ihnen zu geben suchte. Ich lernte sehr viel von ihm, aber ich war nicht sprachge wandt genug, um es jemandem zu erklären. Außerdem war es ein Geheimnis. Aber wenn das Licht im Luxembourg schwand, pflegte ich durch den Park hinaufzugehen und in der Atelierwohnung Rue Fleurus 27, in der Gertrude Stein wohnte, vorzusprechen.
    Meine Frau und ich hatten bei Miss Stein Besuch gemacht, und sie und die Freundin, die bei ihr lebte, waren sehr freundschaftlich und herzlich gewesen, und wir fanden das große Studio mit den wunderbaren Bildern herrlich. Es war wie einer der besten Säle in dem schönsten Museum, und abgesehen davon gab es hier einen großen
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