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Paris, Ein Fest Fürs Leben

Paris, Ein Fest Fürs Leben

Titel: Paris, Ein Fest Fürs Leben
Autoren: Ernest Hemingway
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war fortgegangen. Hoffentlich ist sie mit einem guten Mann fortgegangen, dachte ich. Aber ich war traurig.
    Ich machte mein Notizbuch mit der Story darin zu und steckte es in meine Innentasche, und ich bestellte mir bei dem Kellner ein Dutzend portugaises und eine halbe Karaffe von dem herben Weißwein, den sie hier hatten. Wenn ich eine Geschichte geschrieben hatte, war ich immer leer und beides, traurig und glücklich, wie nach einer Liebesnacht, und ich war sicher, daß es eine sehr gute Geschichte war, obgleich ich nicht genau wußte wie gut, ehe ich sie am nächsten Tag durchgelesen hatte. Während ich die Austern aß mit ihrem starken Meergeschmack und ihrem leicht metallischen Geschmack, den der kalte Weißwein wegspülte, so daß nur der Meergeschmack und ihre saftige Konsistenz blieben, und als ich die kalte Flüssigkeit aus jeder Muschel trank und sie mit dem frischen Geschmack des Weins hinunterspülte, verlor ich das leere Gefühl und fing an, glücklich zu sein und Plane zu machen.
    Jetzt, da das schlechte Wetter gekommen war, konnten wir eine Zeitlang Paris für einen Ort eintauschen, wo dieser Regen Schnee war, der durch die Tannen herunterkam und den Weg und die hohen Hügelhänge bedeckte, in einer Höhenlage, wo wir es knirschen hören würden, wenn wir abends nach Hause gingen. Unterhalb von Les Avants war ein Chalet, wo die Beköstigung wunderbar war und wo wir zusammen sein würden und unsere Bücher hatten und nachts zusammen im Bett waren bei offenen Fenstern und leuchtenden Sternen. Dort konnten wir hinfahren. Die Fahrt mit dem Zug dritter Klasse war nicht teuer. Die Pension kostete kaum mehr, als wir in Paris ausgaben.
    Ich würde das Zimmer im Hotel, in dem ich arbeitete, aufgeben, und dann war nur die Miete für die Rue Cardinal-Lemoine 74 zu bezahlen, die geringfügig war. Ich hatte für eine Zeitung in Toronto allerhand geschrieben, und die Schecks dafür waren fällig. So etwas konnte ich überall unter allen Umständen schreiben, und wir hatten das Geld, um die Reise zu machen.
    Vielleicht konnte ich fern von Paris über Paris schreiben, so wie ich in Paris über Michigan schreiben konnte. Ich wußte nicht, daß es hierfür zu früh war, weil ich Paris noch nicht gut genug kannte. Aber so wirkte es sich schließlich aus. Auf jeden Fall würden wir fahren, wenn meine Frau es wollte, und ich machte mit den Austern und dem Wein Schluß, bezahlte meine Zeche im Cafe und ging auf dem kürzesten Weg durch den Regen, der jetzt nur eben ortsübliches Wetter war und nicht etwas, was das Leben veränderte, über die Montagne Sainte-Geneviève zurück in die Wohnung oben auf dem Gipfel des Hügels.
    «Das denk ich mir wunderbar, Tatie», sagte meine Frau. Sie hatte ein sanft geformtes Gesicht, und ihre Augen und ihr Lächeln strahlten bei solchen Entschlüssen, als ob es kostbare Geschenke wären. «Wann wollen wir aufbrechen?» «Wann du möchtest.»
    «Ach, ich möchte gleich, sofort. Hast du das nicht gewußt?»
    «Vielleicht wird es schön und klar sein, wenn wir zurückkommen. Es kann hier sehr schön sein, wenn es kalt und klar ist.»
    «Sicher wird es das sein», sagte sie. «Aber wie lieb von dir, daß du auch ans Wegfahren gedacht hast.»

Miss Stein belehrt

    Als wir nach Paris zurückkamen, war es klar und kalt und schon. Die Stadt hatte sich auf den Winter eingestellt; gegenüber in der Holz- und Kohlenhandlung in unserer Straße war gutes Holz zum Verkauf, und vor vielen der guten Cafés gab es draußen Kohlenbecken, so daß man auf den Terrassen warm bleiben konnte. Unsere eigene Wohnung war warm und gemütlich. Wir brannten auf dem Holzfeuer boulets , das waren eierförmig gepreßte Klumpen aus Kohlenstaub, und das winterliche Licht auf den Straßen war wunderschön. Jetzt hatte man sich daran gewöhnt, die kahlen Bäume gegen den Himmel zu sehen, und man ging in dem reinen, scharfen Wind auf den frisch gewaschenen Kieswegen durch den Jardin du Luxembourg. Wenn man sich damit abgefunden hatte, sahen die Bäume ohne ihre Blätter wie Skulpturen aus, und die Winterwinde bliesen über die Oberflächen der Teiche, und die Fontänen stäubten in dem hellen Licht. Seit wir in den Bergen gewesen waren, gab es nur kleine Entfernungen für uns.
    Wegen des Höhenunterschiedes bemerkte ich die Steigung der Hügel nicht, außer mit Vergnügen, und auch das Hinaufklettern zum obersten Stockwerk des Hotels war ein Vergnügen, wo ich in einem Zimmer arbeitete, von dem man über alle Dächer und
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