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Paravion

Paravion

Titel: Paravion
Autoren: bouazza
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Fest gewesen nach den segensreichen Regen des Winters und hatte alles und jeden in einen Rausch versetzt. Das Abqar-Tal war allerbester Laune. Die Ziegen gaben Milch, sie hatten Junge geworfen. Sind mehrere Säugetiere zusammen, vermehren sie sich. Alles wuchs, sogar in diesem Dorf. Der Bach plapperte fröhlich wie Frauen beim Einkaufsbummel und führte Blätter und Blumensträuße mit sich, als wäre er beim Blumenhändler gewesen; ein Schneeschauer aus Mandelblüten betäubte die Nase mit tödlichem Duft. Die Feigenbäume starrten unaufhörlich auf ihre unruhigen Spiegelungen hinunter, Büsche und Sträucher, die weißen und rosafarbenen Oleander stellten ihr Naschwerk zur Schau. Wind kam auf, um alles abzutrocknen, und er staubte die Blätter ab, die aufgeregt durcheinanderzuplappern begannen. Die Vögel tratschten hemmungslos. Baba Baluk und die jungen Frauen des Dorfs waren glücklich wie nie in ihrer fruchtbaren, blühenden und früchtereichen Freiheit. Die Mütter waren gestorben, waren aus ihrem Schwachsinn in glückselige Nicht-Existenz hineingeglitten.
    Ein neuer Baum wuchs am Ufer, eine Falfosa, die keine Blätter trägt, sondern nur Flaum, türkisfarbene Federchen, die im Wind zitterten. Der Stamm war faltig und schien eher aus Fleisch als aus Holz zu bestehen. Das Laub, noch jung, war wie ein Nest voll von Vogeljungen.
    Der Schäfer hatte gelernt, die Flöte zu spielen, und die jungen Damen unter der Leitung von Quadryge und Sofia hatten gelernt, dem Schäfer Flötentöne zu entlocken. Der Unterricht seines eigenen Mädchens trug allmählich Früchte. Sie alle konnten ihn zu sich rufen, wann immer sie wollten, und sie lehrten ihn Zärtlichkeit. Baba Baluks Blick und Liebkosungen wurden sanfter und gleichzeitig feuriger. Streichelte er eines der Mädchen, war jede Bewegung eine Ehrenbezeugung an ihre Schönheit und willige Jugend; ein Zeichen, daß die Lektionen seines Mädchens Resultate zeitigten. Die Mundwinkel der Mädchen kräuselten sich nach oben. Sie erschauderten. Seine Fingerspitzen waren zärtlicher als katzbalgende Windstöße im Apfelbaum, der allerdings nicht so erröten konnte wie sie. Sie hohlbeutelten die Münder zu Mohnkapseln, damit er sich labte am fließenden Tröstesaft.
    Die Frösche quakten, die Grillen zirpten, die Vögel sangen ihre uralten Madrigale, er brummte, sie stöhnten kurz und melodisch und krümmten die Rücken, worauf er seine Brust hob, um ihnen Platz zu machen. Und tatsächlich: jetzt war er leichtgewichtig auf der Brust und schwerlastig im Hintern, genau so, wie es sein sollte. Vor allem Sofia preßte ihr Schambein fest gegen seinen Unterleib und wirbelte mit den Hüften, um zur Ekstase zu gelangen.
    Ihr musikalisches und rhythmisches Gehampel wurde begleitet vom Stampfen des Mädchens, das mit einem Stock die inzwischen durchweichten Taue, Lumpen und Fischernetze in einer Schüssel bearbeitete, um deren äußerste Fasern zu entfernen.
    Gleichzeitig spielten sie mit ihrem Flötenspieler wie mit einem Kind oder einer Puppe, sie hängten ihm Blüten und Blumen an den Kupferohrring und baten ihn, für sie zu singen.
    Das konnte er zwar nicht so schön und zart wie Mamurra, aber es gelang ihm, den Ton zu halten und auf ihm zu balancieren, gerade bei den gefährlich hohen Noten.

    Reizende Bombykina,
    Syrerin nennen dich alle,
    mager, sonnenverbrannt,
    ich allein: honigfarben.
    Die Ziege folgt dem Klee,
    der Wolf der Ziege,
    der Kranich dem Pflug;
    Ich bin verrückt nach dir!
    »Wer ist diese Bombykina?« wollte Quadryge wissen. Doch er hatte keine Ahnung. Die Lieder kamen ihm einfach so in den Sinn, mitten im Durcheinander der Stimmen, von denen sein Kopf heimgesucht wurde. Manchmal fielen sie ihm beängstigenderweise auch rückwärts ein, ein Art Zungensingen statt Zungenreden.
    Das Mädchen stellte ihre Arbeit beiseite, strich sich die Haarsträhne aus der Stirn und hörte seinem Lied zu, glücklich, stolz und voller Wehmut. Merkwürdigerweise war sie, obwohl doch so viele Karawanen Jahreszeiten vorbeigezogen waren, keinen Tag älter geworden. Sie war noch immer so weiß, als ob sie einzig im Finstern lebte, nie das Tageslicht sah noch das Tageslicht sie. Ihre Füße waren so rot wie die Erde, auf der sie ging. Wenn er in ihrem Schoß lag, roch er denselben kindlichen, süßen Duft und hörte denselben raschen Atem wie früher, dabei sprach sie unaufhörlich und erzählte (»… Süß, mein lieber Schäfer, ist das Flüstern der Pinie…«). Sie war nicht älter
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