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Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme

Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme

Titel: Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme
Autoren: Robert Gregory Browne
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gebaut hatten, zwischen dem ganzen Müll all der anderen Obdachlosen dort unten am Fluss.
    Als sie ankamen, war die Hütte zu ihrer Überraschung jedoch leer, abgesehen von Myras Fixerbesteck, einem Haufen alter Plastiktüten, die sie als Decken benutzte, und ihrer Kleidung, die ringsum im Dreck lag. Von Myra keine Spur. Ob tot oder lebendig.
    »Bist du sicher, dass es hier war?«
    »Bin vielleicht besoffen, aber nicht verrückt«, sagte Clarence. »Sie war genau hier.«
    »Aber jetzt ist sie weg.« Solomon hob Myras Jeans auf, griff in die hintere Hosentasche und zog die Werbeanzeige heraus. Er faltete sie auseinander, starrte auf das Foto. Wie hübsch sie aussah – und wie schade, dass sie jetzt an der Nadel hing. Clarence heulte schon wieder.
    Plötzlich sagte eine Stimme in der Dunkelheit: »Sucht ihr das weiße Mädchen?«
    Solomon drehte sich um und erblickte Billy Eagle-heart, einen kräftigen Mitskanaka-Indianer, der sich unter seinem Verschlag aus Pappe zusammengerollt hatte.
    »Ja«, sagte Solomon. »Ist jemand hier gewesen und hat sie abgeholt?«
    »Abgeholt? Hab sie gesehen, stand noch auf ihren eigenen zwei Beinen – na ja, mehr oder weniger.«
    Solomon und Clarence sahen sich an, und Clarence hörte augenblicklich auf zu weinen. »Sie lebt noch?«
    »Stand genau da, wo ihr steht«, sagte Billy. Dann wies er mit dem Kinn auf die Jeans, die Solomon in der Hand hielt. »Ich weiß nicht, wovon sie drauf war, aber sie hat sich die Klamotten vom Leib gerissen, als wenn sie ihr die Haut verbrennen würden. Hab mir gewünscht, ich hätt ein paar Dollarscheine gehabt.« Er grinste.
    »Verarsch uns bloß nicht, Billy.«
    »Ich verarsch niemanden. Hab gesehen, wie sie den Hügel da raufgestolpert ist, nackt wie so'n blödes Präriehuhn. Sah aus, als hätte sie was zu erledigen.« Er kicherte vor sich hin. »Brauchte vielleicht ein paar neue Schuhe, die zu dem Aufzug passen.«
    Solomon drehte sich um und sah Clarence an. »Hast du gehört? Das ganze Geheule für nix.«
    »Kann gar nicht sein«, sagte Clarence. »Sie war tot. Ich merk doch, wenn was tot ist.«
    »Na klar, und ich merk, wenn was doof ist.«
    Solomon bedankte sich mit einem Kopfnicken bei Billy und steckte die Anzeige zurück in Myras Hosentasche. Dann suchte er den Rest ihrer Kleidung zusammen und machte eine auffordernde Handbewegung. »Sammeln wir sie ein, bevor die Bullen es tun.«
    Als sie die Uferböschung in Richtung der Hauptstraße hinaufgingen, rief Billy hinter ihnen her: »Wenn ihr sie findet, sagt mir Bescheid, was sie als Zugabe gibt.«
    Betty Burkus fand die Leiche.
    Sie war eine alte Frau und konnte schon lange nicht mehr gut einschlafen. Übergewicht, ständiges Sodbrennen und eine Schlafapnoe machten ihr das Leben doppelt schwer. Kurz nach ein Uhr in der Nacht hatte sie sich aus dem Bett gequält, in der Hoffnung, ein Glas Eiswasser würde das Feuer in ihrem Magen löschen.
    Sie stand vor dem Kühlschrank in ihrer kleinen Wohnung, die zum Hof hinaus führte, starrte aus dem Küchenfenster und sah plötzlich, dass die Tür der Janovic-Wohnung gegenüber weit offen stand.
    Betty Burkus seufzte. Carl Janovic war ihr seit dem Tag, an dem er eingezogen war, ein Dorn im Auge. Wie er und seine Freunde in diese Wohnung rein- und wieder rausspazierten, hätten sie gleich eine Drehtür einbauen lassen können. Es waren Momente wie dieser, in denen sich Betty von ganzem Herzen wünschte, sie hatte niemals eingewilligt, die Hausmeisterpflichten zu übernehmen. Zweihundert Dollar weniger Miete waren das ganze Theater und Generve nicht wert.
    Sie ging zum Telefon, wählte die Drei – sie hatte Janovic als Kurzwahl gespeichert, so viel Ärger machte er – und lauschte, wie es am anderen Ende mehrmals klingelte. Nicht allzu überrascht darüber, dass sich niemand meldete, seufzte sie erneut und legte auf. Dann zog sie ihren Bademantel an und ging hinaus in den Hof.
    Auf halbem Weg zu Janovics Wohnung zögerte sie. Schließlich lagen die meisten normalen Menschen um diese Uhrzeit längst im Bett, und nachts um kurz vor halb zwei wirkte eine offene Haustür nicht gerade einladend. Außerdem war es stockfinster. Keine Außenbeleuchtung, kein Licht im Eingang, alles war dunkel und still wie ein verlassenes Bergwerk.
    Auch wenn es ihr noch so schwer fiel – Betty war stets der Meinung gewesen, wenn man einen Job annahm, musste man ihn auch machen. Also marschierte sie weiter, stapfte auf die offene Tür zu und spähte in die Wohnung. »Mr.
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