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Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme

Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme

Titel: Paranoia - Hoer Auf Ihre Stimme
Autoren: Robert Gregory Browne
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Gesicht. Die Frau sackte wimmernd in sich zusammen und bewegte sich nicht mehr. Die Schere fiel klappernd auf den Asphalt.
    Verfluchte Irre.
    Dubosky hockte sich neben sie – und zuckte im selben Augenblick zurück. Sie stank wie ein überfahrenes Tier. Aber sie atmete noch. Und abgesehen von all dem Blut konnte er keine ernsthafte Verletzung entdecken. War es überhaupt ihr Blut? Er sah auf die Schere, die ebenfalls reichlich mit Blut beschmiert war, und fragte sich, ob das gerade die erste Attacke dieser Frau gewesen war.
    Hinter ihm krächzte das Funkgerät. »Wo steckst du, verdammt noch mal, dämlicher Polacke?«
    Dubosky holte eine Decke aus dem Kofferraum, nahm das Funkgerät und sagte zu Arschloch-Freddy, er solle die Klappe halten und die Bullen rufen.
    Solomon St. Fort tauchte hinter dem Müllcontainer des Burger Basket auf. Gerade wollte er nachsehen, ob er noch einen Mitternachtsimbiss ergattern konnte, als er jemanden weinen hörte. Es kam aus dem schmalen Durchgang, das herzzerreißende Schluchzen einer verzweifelten Seele.
    Solomon zögerte, lauschte auf das Geräusch, hin- und hergerissen zwischen Hunger und Neugier. Er richtete den Blick auf den Container. Bei Burger Basket landete alles, was vor Ladenschluss nicht verkauft war, im Müllcontainer. Solomon konnte die Chili-Hotdogs schon auf eine Entfernung von zehn Metern riechen. Aber der Container würde ihm nicht davonlaufen, und das Schluchzen zog ihn magisch an. Er betrat den Durchgang, näherte sich dem Geräusch – und blieb wie angewurzelt stehen, als er einen Mann in einem schäbigen Mantel entdeckte. Er hockte in einer Lücke zwischen zwei überquellenden Mülltonnen, die Knie an die Brust gezogen, den Kopf in den Händen vergraben, und er heulte wie ein kleines Kind. Solomon erkannte ihn sofort.
    »Clarence?«
    Erschreckt blickte der Mann auf. Tränen liefen ihm die Wangen hinunter und hinterließen eine Spur auf seinem schmutzigen Gesicht. Das Schluchzen wurde lauter, als er Solomon sah. »Sie ist tot, Scheiße, Mann! Sie ist tot!«
    Solomon stutzte. »Wer ist tot? Von wem redest du?«
    »Wer wohl? Myra, die ist tot.«
    Myra war ein Volljunkie und seit ungefähr sechs Monaten mit Clarence zusammen. Gutaussehende weiße Frau, war früher Model für Badeanzüge gewesen. Aber jetzt hatte sie nicht mehr viel auf den Rippen. Solomon hatte sie am Nachmittag noch gesehen, drüben in der Suppenküche der Brotherhood of Christ. Er hatte noch gedacht, irgendwie sieht die nicht ganz in Ordnung aus.
    »Was ist passiert?«, fragte er.
    »Ich hab dir doch gesagt, dass sie krank ist. Hat den ganzen Scheiß rausgehustet. Dann steht sie auf und jagt sich die Nadel in den Arm, und rastet sofort aus, genau vor mir verdreht sie die Augen. Und dann seh ich sie auf dem Boden liegen, und sie bewegt sich nicht mehr.«
    Solomon spürte, wie sich sein Magen verkrampfte. Er kannte Myra noch nicht besonders lange, aber er mochte sie. Empfand so etwas wie väterliche Zuneigung für sie. »Wie lange ist das her?«
    »Weiß nicht. Ein paar Stunden.«
    »Und du hast sie einfach da gelassen?«
    »Mann, sie ist tot! Was soll ich jetzt machen?«
    »Weißt du denn nicht, wie das mit Junkies so ist?«, fragte Solomon. »Wenn sie sich nicht mehr bewegen, heißt das noch lange nicht, dass sie tot sind. Du hättest Hilfe holen sollen.«
    »Wo denn?«, fragte Clarence. »Bei den Bullen? Was interessiert die 'ne zugedröhnte Straßennutte?«
    »Ach, Scheiße. Du hattest Angst, deshalb bist du abgehauen.«
    Solomon erinnerte sich daran, wie Myra ihm einmal ein Foto aus einer Illustrierten gezeigt hatte. Es hatte zusammengefaltet in der hinteren Tasche ihrer speckigen Jeans gesteckt. Eine Werbung für Herrenparfüm, eine jüngere Myra, die in die Kamera starrt, mit Schmollmund und diesem Fick-mich-Blick. Er seufzte tief und sagte: »Wenn sie noch nicht tot war, ist sie es wahrscheinlich jetzt. Wo hast du sie liegen lassen?«
    Clarence wischte sich mit dem Ärmel übers Gesicht. »Drüben, da bei uns, in der Hütte.«
    »Also komm«, sagte Solomon und zog Clarence hoch.
    »Wo geh'n wir denn hin?«
    »Was glaubst du wohl?«
    »Nee, Mann. Ich will sie so nicht sehen.«
    »Ich scheiß auf das, was du willst. Wir machen das richtig mit Myra. Sie war 'ne gute Frau.«
    Clarence fing wieder an zu weinen. Solomon legte ihm den Arm um die Schulter, und die beiden Männer gingen die drei Blocks zurück bis zur Unterführung am Freeway, wo sich Clarence und Myra eine Hütte aus Pappkartons
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