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Papillon

Papillon

Titel: Papillon
Autoren: Henri Charrière
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Lebensmittel in einer bescheidenen Kantine kaufen. Noch wenige Tage, dann gibt es auch das nicht mehr. Die Conciergerie ist das Vorzimmer zur Einzelhaft. Ich rauche mit Genuß eine Lucky Strike, das Paket zu sechs Franc sechzig.
    Ich habe mir zwei Pakete gekauft. Ich gebe meine Barschaft aus, weil man sie mir sonst wegnimmt, um damit die Gerichtskosten zu bezahlen.
    Dega läßt mir durch einen kleinen Zettel, den ich im Brot finde, Nachricht zukommen, ich möge zum Desinfizieren gehen. »In der Zündholzschachtel sind drei Läuse.« Ich nehme die Streichhölzer heraus und finde drei fette Läuse. Was das bedeutet, weiß ich. Ich muß sie dem Aufseher zeigen, und morgen schickt er mich mit meinen Sachen und der Matratze in die Dampfkammer, um das Ungeziefer zu töten – uns ausgenommen natürlich. Und wirklich, am nächsten Tag treffe ich dort Dega. Kein Wächter in der Kammer.
    Wir sind allein.
    »Danke«, sage ich. »Ich habe den Stöpsel.«
    »Stört er dich nicht?«
    »Nein.«
    »Wasch ihn immer gut, bevor du ihn auf dem WC wieder hineinsteckst.«
    »Er ist gut verschlossen, glaube ich den Geldscheinen ist nichts passiert, obwohl ich ihn schon sieben Tage trage.«
    »Dann ist er in Ordnung.«
    »Was gedenkst du zu tun, Dega?«
    »Ich werde den Verrückten spielen. Ich will nicht ins Bagno. Hier in Frankreich brauche ich vielleicht nur acht bis zehn Jahre zu sitzen. Ich habe Beziehungen und kann mindestens fünf Jahre geschenkt kriegen.«
    »Wie alt bist du?«
    »Zweiundvierzig.«
    »Verrückt! Wenn du zehn von den fünfzehn abbrummst, bist du ein alter Mann, wenn du herauskommst.
    Hast du Angst vor der Zwangsarbeit?«
    »Ja, ich habe Angst vor dem Bagno. Ich schäme mich nicht, es einzugestehen, Papillon. Es ist grauenhaft in Guayana. Jedes Jahr krepieren achtzig Prozent. Ein Konvoi löst den andern ab, und in jedem sind achtzehnhundert bis zweitausend Mann. Wenn du nicht Lepra erwischst, kriegst du das gelbe Fieber oder die Ruhr, die sind auch nicht ohne, oder Tuberkulose oder infektiöse Malaria. Und wenn man von alldem verschont bleibt, hat man gerade die besten Chancen, umgebracht zu werden, weil einem irgendeiner den Stöpsel stehlen will, oder auf der Flucht zu verrecken. Glaub mir, Papillon. Ich möchte dich nicht entmutigen, aber ich habe welche gekannt, die nach fünf, sechs Jahren Bagno zurückgekommen sind, und ich weiß, was ich sage. Sie sind alle Wracks und verbringen im Jahr neun Monate im Spital. Und was das Ausbrechen anlangt, das ist nicht so einfach, wie sich die meisten das vorstellen.«
    »Ich glaube dir, Dega. Aber ich vertraue mir selber. Ich werde nicht lange da unten bleiben, verlaß dich darauf. Ich bin Seemann und kenne mich auf See aus. Ich werde sehr schnell wieder draußen sein. Und du, du willst zehn Jahre sitzen? Selbst wenn man dir fünf davon erläßt, was nicht so sicher ist – glaubst du denn, daß du die andern zehn ertragen kannst, ohne in der Einzelhaft verrückt zu werden? Jede Stunde, die ich allein in meiner Zelle verbringe, ohne Bücher, ohne Ausgang, ohne Ansprache, ist nicht sechzig, sondern sechshundert Minuten lang! Und auch das ist noch weit von der Wahrheit entfernt.«
    »Möglich. Aber du bist jung. Und ich, ich bin zweiundvierzig.«
    »Höre, Dega, sei ehrlich: Was fürchtest du am meisten? Doch nicht die anderen Sträflinge?«
    »Ehrlich gesagt, ja, Papillon. Jeder einzelne weiß, daß ich Millionär bin, und glaubt, daß ich fünfzig- bis hunderttausend bei mir trage. Da dauert es nicht lang, und sie bringen mich um.«
    »Wollen wir einen Pakt schließen? Du versprichst mir, nicht verrückt zu werden, und ich verspreche dir, immer bei dir zu bleiben. Einer greift dem andern unter die Arme. Ich bin ziemlich stark und schnell und habe früh genug gelernt, mich zu schlagen, und ich verstehe es prima, mit einem Messer umzugehen. Was die Häftlinge angeht, kannst du also ganz ruhig sein: Man wird uns mehr als respektieren, man wird uns fürchten. Und zum Ausbrechen brauchen wir keine Helfer. Du hast Flachs, ich hab Flachs, ich kann einen Kompaß lesen und ein Schiff steuern. Was willst du mehr?«
    Er blickt mir tief in die Augen … Wir umarmen uns. Der Pakt ist geschlossen.
    Wenige Augenblicke danach öffnet sich die Tür. Er geht mit seinem Zeug seines Weges, ich mit dem meinen. Wir leben nicht weit entfernt voneinander, und von Zeit zu Zeit kann man sich beim Friseur treffen, beim Arzt oder sonntags in der Kapelle.
    Dega ist bei der Fälscheraffäre der
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