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Pandoras Tochter

Pandoras Tochter

Titel: Pandoras Tochter
Autoren: Iris Johansen
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Wartezimmer verloren hatte. Mit der Zeit würde der Schmerz, der in ihr tobte, vergehen, solange sie nicht wieder auf die trauernde Mutter traf.
    Das ist wirklich erwachsen und verantwortungsbewusst, dachte sie voller Selbstverachtung. Sie wollte nach Hause rennen und all die Trauer und Angst bei Phillip abladen. Das habe ich in den letzten Jahren weiß Gott zur Genüge getan. Jetzt reiß dich am Riemen, und lass den Mann in Ruhe.
    Sie legte den Kopf aufs Steuerrad und blinzelte die brennenden Tränen weg. In den vergangenen Stunden hatte sie sich heftigen Emotionen gestellt. Delores Riveras Leid, die Vorwürfe und Schuldgefühle vermengten sich mit einem Dutzend anderer unverständlicher Empfindungen, die sich immer mehr aufbauten, bis sie sie überwältigten.
    Denk nicht daran. Ruf Phillip an – der Klang seiner Stimme wird dir zur Normalität verhelfen.
    Nein, tu ihm das nicht wieder an. Leb damit. Steh es allein durch.
    Sie rollte vom Parkplatz und bog an der Ampel nach links ab.
     
    Phillip rief sie an, als sie auf die Schnellstraße fuhr. Sie drückte auf die Taste an ihrem Handy-Headset. »Alles in Ordnung mit dir? Ich will ja nicht überbesorgt erscheinen, aber ich weiß, dass dein Dienst schon vor Stunden zu Ende war. Wenn du gerade bei einem Drink mit Scott und Jana zusammensitzt, wimmle mich einfach ab.«
    Gott, sie war froh, seine Stimme zu hören. Von dem Moment an, in dem er bei der Beerdigung ihrer Mutter auf sie zugekommen war, hatte sie diese warme Geborgenheit gespürt, wann immer sie in seiner Nähe war. »Nein, es war nur eine anstrengende Nacht. Ich hatte ein paar Probleme. Ich erzähle dir alles, wenn ich nach Hause komme. Ich bin schon auf dem Weg. Wieso bist du eigentlich noch wach? Es ist bereits nach zwei.«
    »Ich habe nur ein wenig gedöst. Das Footballspiel war erst gegen Mitternacht zu Ende. Wir haben in den letzten vier Sekunden den Siegtreffer gelandet. Ich war zu aufgekratzt, um mich zu entspannen.«
    »Hurra, Falcons.«
    »Allerdings.« Er schwieg kurz. »Was waren das für Probleme?«
    »Ein vierzehnjähriger Junge ist auf dem OP-Tisch gestorben. Ich konnte ihn nicht retten.«
    »Verdammt.«
    »Ja. Wie wär’s, wenn wir nachher zusammen eine heiße Schokolade trinken und du mir alles über das Spiel erzählst?«
    »Klingt gut. Ich koche schon mal den Kakao. Wie lange brauchst du noch?«
    »Ich bin auf der Schnellstraße – ungefähr zwanzig Minuten.« Sie zog die Augenbrauen zusammen, als sie Scheinwerfer im Rückspiegel blendeten. »O Mann, hinter mir ist ein Drängler. Ein Truck, glaube ich. Der Fahrer scheint betrunken zu sein. Ihm muss doch klar sein, dass er um diese Zeit genügend Platz zum Überholen hat.« Plötzlich waren die Lichter verschwunden. »Okay, er ist auf die linke Spur eingeschert. Den bin ich los. Ich hoffe, er bekommt einen Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens … Was, zum Teufel …?«
    Der Truck rammte die Seite ihres Geländewagens. Sie riss das Lenkrad herum, als sie zum Straßenrand geschleudert wurde.
    »Was ist, Megan?«, rief Phillip besorgt.
    Sie hatte keine Zeit, ihm zu antworten.
    Der Truck rammte sie ein zweites Mal.
    Er versuchte, sie von der niedrigen Brücke zu drängen. Noch ein solcher Aufprall, und der SUV landete im Fluss.
    Gerade als sie es geschafft hatte, den Wagen wieder auf die Fahrbahn zu lenken, fuhr der Truck von hinten auf; der SUV schleuderte einmal um die eigene Achse.
    Gegenlenken. Und weg von der Brücke. Sie hatte bessere Chancen, wenn sie den Straßendamm hinunterfuhr.
    Sie kam wieder auf die Fahrspur und gab Gas.
    »Megan!« Phillips Stimme.
    Der Truck war erneut neben ihr.
    Sieh zu, dass du von der Brücke kommst.
    Sie trat das Gaspedal durch und ließ den Truck hinter sich.
    Noch zwanzig Meter, dann hatte sie den Fluss überquert.
    Der Truck holte wieder auf. Er prallte gegen die Hintertür, als sie das Ende der Brücke erreichte.
    Ihr Geländewagen kam von der Straße ab und holperte die Böschung hinunter.
    Sie musste vor dem Flussufer abbremsen.
    Sie trat auf die Bremse, schlitterte seitwärts und rutschte noch fünfzehn Meter weiter, bis sie von einer Fichte zum Halten gebracht wurde.
    Ihr Airbag schnellte aus der Halterung, blies sich in Sekundenschnelle auf und drückte sie in den Sitz.
    Hilflos.
    Sie sah, dass der Truck am Straßenrand stehen blieb und eine Gestalt zur Böschung ging. Der Mann war groß, dünn und trug Jeans und einen Cowboyhut.
    Ihr OnStar-System sagte ihr, dass sich der Airbag aufgeblasen
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