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Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Titel: Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
Autoren: Christoph Lode
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Jackon.«
    »Jackon«, wiederholte sie und begann zu zittern. Und Liam hatte ihm vertraut. »Aber … wie? Wir haben doch so gut aufgepasst. «
    »Komm«, sagte Godfrey. »Du musst zu deiner Tante.«
    »Livia? Sie ist hier?«
    »In ihrer Kammer.« Der Aethermann legte ihr die Hand auf den Arm, hielt sie zurück, als sie loslaufen wollte. »Es geht ihr sehr schlecht. Sie stirbt.«
    Vivana rannte zum Aufenthaltsraum, durch den Gang zu den Quartieren, riss die Tür auf.
    Ihre Tante lag auf dem Bett. Sie hatte die Augen geschlossen und presste ein zusammengeknülltes Tuch auf ihren Bauch. Es war voller Blut, genau wie ihr Kleid.
    Vivana stürzte zu ihr. »Tante Livia. Ich bin’s. Wach auf. Bitte.«
    Die Manusch öffnete die Augen, drehte ihr den Kopf zu. »Amander«, flüsterte sie. »Er hat … die Kinder mitgenommen. «
    Vorsichtig hob Vivana das Tuch. Godfrey hatte Livias Kleid am Bauch aufgeschnitten und ihr einen Verband angelegt, der die Blutung jedoch kaum gestillt hatte. »Nicht bewegen. Wir bringen dich zu einem Arzt.«
    »Kein Arzt«, sagte Livia. »Zu spät.«
    »Aber wenn du hierbleibst, stirbst du!«
    »Ich sterbe … so oder so.«
    »Nein. Das lasse ich nicht zu. Hörst du? Das erlaube ich dir nicht.« Vivana stand auf und sah sich hektisch um. »Das javva ! Wir brauchen das javva ! Sag mir, wo du es versteckt hast.«
    »Kein javva mehr.«

    Vivana durchsuchte das Zimmer trotzdem – und entdeckte auf dem Boden mehrere Phiolen. Einige waren zerbrochen. Die übrigen waren leer, allesamt. Sie sah Godfrey und Nedjo an, die schweigend in der Tür standen, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
    »Komm her«, befahl Tante Livia mit einem Anflug ihrer einstigen Autorität.
    Vivana setzte sich auf die Bettkante. Livias Finger schlossen sich um ihre Hand. Sie waren eiskalt. Die Manusch schien entschlossen zu sein, sie nicht mehr loszulassen. »Hör zu. Du musst … etwas tun. Etwas sehr Wichtiges.«
    »Was?«, fragte Vivana.
    »Hol … meine Tasche und gib … mir das Amulett.« Livias Stimme war so leise, dass Vivana sie kaum noch hörte. »Du musst jetzt … genau tun … was ich dir sage …«

44
Die Botschaft der Krähe
    J ackon saß am Fenster seines Zimmers, wippte mit dem Knie und spielte mit dem silbernen Brieföffner. Mit dem Daumen rieb er über den eingravierten Phönix, rieb wieder und wieder über die feinen Linien im Metall.
    Es war ein schöner Tag – so als hätte sich ein Stückchen Sommer in diesen trüben Oktober verirrt. Es regnete nicht mehr. Der Nebel hatte sich aufgelöst, die Morgensonne durchbrach die Wolken und ließ das Laub auf dem Rasen in bunten Farben schimmern. Wenn er die Augen schloss, konnte er den modrigen Geruch der Blätter riechen, der sich mit dem Duft der feuchten Erde vermischte.
    Von seinem Fenster aus konnte man die Dächer der Altstadt überblicken. Hundertachtundsiebzig Kamine konnte man von hier aus sehen. Er hatte sie alle gezählt. Als er damit fertig war, zählte er die Wetterfahnen.
    Er musste seinen Verstand beschäftigen. Musste ihm etwas geben, das seine Gedanken davon abhielt, umherzustreifen und gefährliche Dinge aufzustören. Denn andernfalls würde er verrückt werden.
    Drei Wetterfahnen. Vier. Fünf…
    Es klappte gut. Und wenn er sich doch einmal ablenken ließ, presste er rasch den Daumen auf die Spitze des Brieföffners, bis es wehtat. Der Schmerz vertrieb alle anderen Gefühle, und er konnte in Ruhe weiterzählen.

    Siebenundzwanzig. Achtundzwanzig …
    Eine Krähe kam angeflogen. Sie flatterte zu dem kleinen Fenster des Salons, das Tag und Nacht offen stand, und landete auf dem Sims.
    Kümmere dich nicht darum. Zähl weiter! , befahl Jackon sich, wippte schneller mit dem Knie und presste den Daumen derart heftig auf die Brieföffnerspitze, dass ein Blutstropfen hervorquoll. Doch die Anspannung wurde so groß, dass er glaubte, sie würde ihn zerreißen.
    Er stürzte zur Tür.
    Corvas stand im Salon und strich sich gerade den Mantel glatt. Dann bemerkte er Jackon und blickte ihn mit seinen ausdruckslosen Augen an.
    »Habt …« Jackon schluckte. »Habt ihr sie gefunden?«
    »Ja«, sagte der Bleiche.
    »Was geschieht jetzt mit ihnen?«
    »Umbra und Amander bringen sie gerade zum Ministerium der Wahrheit. Für das Verhör.« Corvas schritt zur Tür des Salons, wo er sich noch einmal zu ihm umwandte. »Gut gemacht, Jackon«, sagte er und ging.
    Mit hängenden Schultern stand Jackon da, den Brieföffner in der Hand. Immer lauter ertönten seine
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