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Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen

Titel: Pandaemonia 02 - Die Stadt der Seelen
Autoren: Christoph Lode
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Kugel getroffen worden, die seine halbe Maske und einen Teil seines konturlosen Gesichts weggerissen hatte – was das Geschöpf jedoch nicht im Mindesten beeinträchtigte. Hektisch lud Godfrey seinen Blitzwerfer nach, indem er mit einer Rauchglasröhre hantierte. Als ihm klar wurde, dass er nicht rechtzeitig damit fertig werden würde, ließ er von
der Waffe ab – und verwandelte sich in Aether. Sein Körper löste sich auf, und seine Kleider sanken zu Boden. Die beiden Spiegelmänner fanden auf der Plattform nur noch goldenen Dunst vor, der zu einer Öffnung in der Hallendecke hinaufwaberte.
    Liam wandte sich wieder dem Portal zu, wo Corvas inzwischen hinter dem verbliebenen Torflügel, der verbogen in den Angeln hing, vor dem tödlichen Hagel aus Pistolenkugeln und Armbrustbolzen Schutz gesucht hatte. Liams schweißnasse Finger schlossen sich fester um den Messergriff. Wenn Corvas starb, konnte er mit seinen Gefährten fliehen. Aber brachte er den Mut auf, ihn zu töten? An Hass mangelte es ihm nicht – Corvas hatte seinen Vater ermordet, hatte sein Leben zerstört. Doch Hass allein genügte nicht. Liam hatte schon einmal die Gelegenheit gehabt, ihn zu töten, und sie nicht genutzt. Die Entschlossenheit hatte ihm gefehlt, die Kaltblütigkeit.
    Aber damals war er ein anderer gewesen. Viel war seitdem geschehen, das Grauen des Pandæmoniums hatte ihn härter gemacht. Liam biss die Zähne zusammen und hastete mit dem Messer in der Hand durch die Halle, wich Spiegelmännern aus, huschte von Deckung zu Deckung Richtung Tor.
    Ein ohrenbetäubendes Kreischen übertönte das Kampfgetöse, und plötzlich war die Luft von schwarzen Schemen erfüllt, von schlagenden Flügeln und scharfen Krallen. Krähen. Ein ganzer Schwarm, der in die Halle rauschte. Liam warf sich zu Boden und verbarg seinen Kopf in den Armen, als die Vögel über ihn hinwegflogen.
    Sein Herz pochte bis zum Hals. Jeden Moment rechnete er damit, dass sich die Krähen scharenweise auf ihn stürzten und mit ihren Schnäbeln auf ihn einhackten. Doch sie hatten es offenbar nicht auf ihn abgesehen. Als das Kreischen leiser wurde, wagte er es, den Kopf zu heben. Die Rabenvögel umflatterten Madalin, der mit einer Axt nach ihnen schlug und vergeblich
versuchte, sich ihrer Angriffe zu erwehren. Die Wunden, die sie ihm zufügten, schlossen sich zwar dank des javva sofort wieder, doch dafür klafften gleichzeitig woanders neue auf.
    Eine der Krähen verwandelte sich in Corvas – genau hinter Jovan, der Madalin zu Hilfe kommen wollte. »Pass auf!«, rief Liam, doch in all dem Lärm hörte der Manusch seine Warnung nicht. Corvas zückte sein Messer und hieb es Jovan mit dem Knauf in den Nacken. Ohne das javva hätte ihn der Hieb gewiss niedergestreckt; so stöhnte er nur vor Schmerz auf, wirbelte herum und parierte Corvas’ nächsten Angriff mit dem Schaft seiner Axt.
    Nun, da der Schwarzgekleidete in den Kampf eingegriffen hatte, war der Weg nach draußen frei. Liam überlegte, ob er die Gelegenheit nutzen und mit einigen seiner Gefährten fliehen sollte. Lucien und Sandor kämpften ganz in seiner Nähe – er konnte sie leicht auf das unbewachte Tor aufmerksam machen und gemeinsam mit ihnen um sein Leben laufen. Aber dann würden sie die anderen im Stich lassen. Nein, er musste bleiben. Nur wenn es ihm gelang, Corvas zu töten, hatten sie alle eine Chance zu entkommen.
    Jovan erwehrte sich verzweifelt seiner Haut und blutete bereits aus mehreren Verletzungen. Er war Corvas nicht gewachsen und verdankte es allein dem javva , dass dieser ihn nicht längst niedergestochen hatte. Liam sah ein, dass es zwecklos war, sich auf einen Nahkampf mit dem Schwarzgekleideten einzulassen. Er brauchte eine bessere Waffe.
    Der Blitzwerfer!
    Wenn es ihm gelang, unbemerkt zur Plattform hinaufzusteigen, konnte er die Waffe nachladen und Corvas aus sicherer Entfernung vernichten – und seine Krähen gleich mit. Er musste nur dafür sorgen, dass die beiden Maskierten, die immer noch dort oben standen und nach Godfrey suchten, nicht auf ihn aufmerksam wurden.

    Er rannte los, mitten durch die Schar der orientierungslosen Spiegelmänner, die längst begriffen hatten, dass sie sich auf ihr Sehvermögen nicht verlassen konnten. Immer wenn ein Geräusch ihre Aufmerksamkeit erregte, wirbelten sie herum und hieben in die Luft, in der Hoffnung, einen unsichtbaren Gegner zu treffen. Als Liam einmal zu laut auftrat, bemerkte es ein Maskierter und schlug mit seinem Rabenschnabel zu, und er
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